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Feucht

Feucht

Titel: Feucht
Autoren: Sophie Andresky
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eine magersüchtige Giraffe mit gebleichten Spaghetti auf dem Kopf, und Angela machte die Kartoffel, das passte, sie war klein, verkniffen, sonnenverbrannt und hatte die Proportionen eines Michelinmännchens. Gernot war die Schwarzwurzel, und das gefiel ihm, er griff sich nämlich ständig an den Schritt, bis ich ihn fragte, ob er wohl ein Prostataproblem hätte. Und Dieter sollte die Erbsen singen, ein Eunuch geht auf Reisen, er kreischte die ganze Zeit wie ein Hühnerauge, das unter einen Amboss gerät. Ganz prima, meine Familie für die nächsten beiden Tage, also
    Bussi Bussi, Stargeknutsche, ein tolles Stimmvolumen hast du, und diese Ausdruckskraft, Kinder, das wird spaßig, und so weiter.
    Am ersten Tag wurden wir nur dem Dosensuppenkönig vorgestellt und mit dem Werbekonzept vertraut gemacht, was so aussah, dass wir alle einen Teller von der halbwarmen Brühe löffeln mussten. Dabei redete der König sich in Ekstase, es müsste alles frisch und freundlich klingen, knackig, saftig, appetitlich. O je, wenn einer schon saftig sagt, versucht er abends den Sopran anzubaggern, ich kenn so was, na ja, besser es trifft Spargelastrid als mich.
    Dann sollten wir ins Hotel, die Partituren ansehen, man sagte uns tatsächlich Partituren, ich fass es nicht. Ich meine, da summt einer was vor, und ich sing das dann nach, fertig, eine Sache von zwanzig Minuten, aber nein, ins Hotel. Was die so Hotel nennen! Herberge zur brütenden Pestilenz, Virenkessel Schmidthuber, das war mit Abstand die abartigste Kaschemme, in der ich jemals schlafen müsste. Aber hätte ich mir ein anderes Zimmer gesucht, hätte ich es selbst bezahlen müssen, und da bleibt dann nicht mehr viel übrig. Zumindest zum Abendessen würde ich mir etwas Gemütliches, Sauberes suchen, schwor ich mir, als ich auf meiner Fensterbank (mit Blick auf die Müllcontainer) ein Rudel apathisch daliegender Bananen entdeckte. Mann, die hätte ich bald kämmen können, solche Haare wuchsen da drauf. Und wenn man ganz genau hinsah, ich schwöre es: Sie haben sich bewegt. Atmende Bananen. Aber sie lagen schon im Sterben, wie alles, was länger als eine Nacht in dieser Absteige blieb. Der Teppichboden war mit einer exotischen Pilzkultur durchzogen. Da brauchste keine Drogen zu nehmen, die Muster, die sich langsam ausbreiten, siehst du ganz von alleine. Aber die Hölle war die Dusche, Etagendusche natürlich, da hat mein Immunsystem wirklich was geleistet, da sprang dich der Fußpilz in Kopfhöhe von den Wänden an. Die Sporen schwebten in Nebeldichte umher. Und im Ausguss der Skalp von vier Generationen Gästen. Abartig. Alles, was ich wollte, war, schnellstens hier rauszukommen.
    Draußen fing es schon an, dunkel zu werden, ich warf also einen Blick auf die Partitur, beschloss, dass der Weg von der Schlafbaracke zum Studio als Vorbereitung reichen würde, und suchte mir ein kleines Bistro. Ein ganz schickes, abgefahrenes, Mensch, ich bin Künstlerin, nicht irgendeine Touristentrulla. Vor dem Hotel kam mir der Produzent in die Quere, der, der uns vorhin das Werbekonzept löffeln ließ. Er lutschte schon wieder diese fiesen Lakritzschnecken. Menschen, die freiwillig Lakritze essen, halte ich ja für potentiell verhaltensgestört, der kulinarische Masotrip. Er busselte ein bisschen auf Charming Boy, und ich sagte: «Du, ich muss mich noch mental klarmachen für morgen, ciao, Ogon.»
    «??»
    «Das ist polnisch und heißt so was wie Darling.»
    «Ogon. Goldig.»
    Ogon ist zwar polnisch, heißt aber Schwanz, na ja, das brauchte er nicht zu wissen. Ich fand eine ganz verrückte kleine Szenekneipe mit Klaviermusik und einem Tintenfassperkussionisten, der letzte Schrei, ich sag's, und dann setzte ich mich so an die Bar, um etwas zu essen. Und da sprach mich dann Fred an. Fred sah nicht aus wie ein Gemüse, war aber Vegetarier. Er bestellte sich auch die Frischkäse-Canneloni und fragte, was ich so mache.
    «Ich bin Sängerin. Tremolo-Alt.»
    «Echt? Ich bin Tenor. Ey, das ist ja klasse, da können wir ja eine Session machen hier auf der Theke.»
    Ich lachte. «Ne du, ich muss mit meiner Stimme ein bisschen aufpassen, hab morgen einen Studio-Event, da muss ich alpenquellenklar klingen.»
    «Schon klar.»
    Es war richtig gut, mal mit jemandem zu reden, der nicht so einen Schrott macht. Fred erzählte von seiner Band und dass er mit einem Orchester zusammen sänge, oft auch für Schallplattenproduktionen. Und schon konnten wir wunderbar ablästern. Er musste gut verdienen, denn er lud
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