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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition)
Autoren: Martin Suter
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zu löschen gewesen, wenn nicht genau in dem Moment, als Konrad Lang die Kabine verlassen wollte, der offene Benzinkanister explodiert wäre. Konrad tat das einzig Vernünftige: Er drückte auf den obersten Knopf.
    Während die Kabine langsam nach oben glitt, füllte sich der Schacht rasch mit beißendem Rauch. Zwischen der zweitobersten und der obersten Ebene fing sie an zu bocken, ruckte ein paarmal und hing dann fest.
    Konrad Lang hielt sich seinen Pullover vor den Mund und schaute in den Rauch, der rasch immer schwärzer und undurchdringlicher wurde. In Panik hebelte er an der Kabinentür, brachte sie irgendwie auf, hielt den Atem an und krabbelte die Stufen neben der Trasse hinauf. Schon nach ein paar Metern erreichte er die oberste Ebene und rettete sich hustend und keuchend ins Freie.
    Die Koch-Villa auf Korfu war kurz vor dem Brand von einer holländischen Innenarchitektin völlig neu eingerichtet worden. Sie war vollgestopft mit indonesischen und marokkanischen Antiquitäten, Textilien und Ethnokitsch. Das Zeug brannte wie Zunder.
    Der Wind trieb die Flammen durch den Seilbahnschacht in die Wohnräume aller Etagen und von dort in die Schlafzimmer und Nebenräume.
    Als die Feuerwehr kam, hatte das Feuer bereits vom Haus abgelassen und wurde vom Sturm über die Palmen und Bougainvilleen gegen den Pinienwald gejagt. Die Männer beschränkten sich darauf, ein Übergreifen der Flammen auf die Pinien und die umliegenden Oliven zu verhindern. Es hatte wenig geregnet für die Jahreszeit.
    Konrad verzog sich mit einer Flasche Ouzo ins Pförtnerhaus. Erst als die Königspinie vor dem Fenster in einem Flammenbündel explodierte, torkelte er hinaus und schaute von weitem zu, wie das Feuer das weiße Häuschen mit all seinen Habseligkeiten vernichtete.
    Zwei Tage später war Schöller zur Stelle. Er ließ sich von Apostolos Ioannis, dem Leiter der griechischen Tochter von »Koch Ingeneering«, durch die Brandstätte führen und stocherte da und dort mit der Schuhspitze im verkohlten Schutt. Den Notizblock steckte er bald wieder weg. Die Villa war vollständig ausgebrannt.
    Schöller war der persönliche Assistent von Elvira Senn. Ein dünner, akkurater Mann Mitte Fünfzig. Er besaß keinerlei offizielle Funktion im Unternehmen, seinen Namen suchte man vergebens im Handelsregister, aber er war Elviras verlängerter Arm und als solcher bis in die Konzernspitze gefürchtet.
    Bisher hatte Konrad Lang seine Angst vor Schöller damit überspielt, daß er ihn mit der Herablassung des Höhergeborenen behandelte. Obwohl Schöller derjenige war, der die Weisungen erteilte, war es Konrad gelungen, sie entgegenzunehmen, als wären sie das Resultat vorangegangener vertraulicher Konsultationen mit Elvira. Auch wenn Schöller genau wußte, daß alle Kontakte zwischen Elvira Senn und Konrad Lang über ihn liefen, die Tatsache, daß die Grande Dame der Schweizer Hochfinanz für ihn immer wieder Fäden zog, ihn sein Leben lang immer wieder irgendwo in ihrem weitverzweigten Imperium und ihrem internationalen Bekanntenkreis als Gesellschafter, Verwalter oder Mädchen für alles unterbrachte, nahm er dem hochnäsigen Alten persönlich übel. Nur weil dieser einen Teil seiner Jugend mit ihrem Stiefsohn Thomas Koch verbracht hatte, fühlte sie sich verpflichtet, ihn zwar auf Distanz aber doch immer irgendwie über Wasser zu halten.
    Lang war eine der lästigsten Aufgaben in seinem Pflichtenheft. Schöller hoffte, der Brand würde ausreichen, um sie endlich ein für allemal abzuhaken.
    Stundenlang hatte Konrad Lang starr im Widerschein der Flammen mitten im Tumult der Löschmannschaften gestanden. Nur wenn er einen Schluck aus der Flasche brauchte, bewegte er sich, oder wenn er den Kopf einzog, weil das Löschflugzeug tief über die Pinien dröhnte, um eine weitere Ladung Wasser abzuwerfen. Irgendwann kam der Pächter mit zwei Männern, die ihn zum Vorfall befragen wollten. Als sie merkten, daß Konrad Lang nicht vernehmungsfähig war, brachten sie ihn nach Kassiopi, wo er die Nacht in einer Polizeizelle verbrachte.
    Am nächsten Morgen bei der Befragung konnte er sich nicht erklären, wie das Feuer entstanden war. Das war nicht einmal gelogen.
    Die Erinnerungen an die Entstehung des Brandes tauchten erst im Laufe des Tages in kleinen Portionen wieder auf. Aber da hatte er schon empört jegliche Schuld von sich gewiesen und hielt diese Aussage verzweifelt aufrecht. Vielleicht wäre er damit durchgekommen, hätte der Pächter nicht ausgesagt, er
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