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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition)
Autoren: Martin Suter
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habe Konrad Lang an diesem Nachmittag mit einem Kanister Benzin auf dem Weg in den untersten Gästetrakt gesehen.
    Lang wurde daraufhin bis zur Abklärung des Verdachtes auf vorsätzliche Brandstiftung ins Polizeihauptquartier in Kerkira gebracht. Dort befand er sich auch noch, als Schöller in seinem Zimmer im Corfu Hilton International den Ruß abduschte, sich umzog und ein Tonic aus der Minibar nahm.
    Als Konrad Lang eine Stunde später aus seiner Zelle geholt und in das kahle Büro geführt wurde, in dem ihn Elviras Assistent mit einem Beamten erwartete, hatte er über fünfzig Stunden in Polizeigewahrsam verbracht und jede Überheblichkeit abgelegt. Er, der Wert darauf legte, in jeder Situation korrekt gekleidet und sauber rasiert zu sein, trug jetzt eine rußgefleckte Kordhose, verdreckte Schuhe, ein schmutziges Hemd, eine zerknitterte Krawatte und den ehemals gelben Kaschmirpullover, den er als Atemschutz benutzt hatte. Sein kurz getrimmter Schnurrbart hob sich kaum mehr von den Bartstoppeln ab, das graue Haar fiel ihm strähnig ins Gesicht, und die Säcke unter den Augen waren dunkler und schwerer als sonst. Er war fahrig und zittrig, und das kam nicht allein von der Aufregung, sondern vor allem vom brüsken Alkoholentzug. Lang war etwas über dreiundsechzig, aber an diesem Nachmittag sah er aus wie fünfundsiebzig. Schöller übersah die Hand, die sich ihm entgegenstreckte.
    Konrad Lang setzte sich und wartete, bis Schöller etwas sagen würde. Aber Schöller sagte nichts. Er schüttelte nur den Kopf. Und als Lang hilflos die Schultern hob, schüttelte er ihn weiter.
    »Was nun?« fragte Konrad Lang schließlich.
    Schöller schüttelte immer noch den Kopf.
    »Das Mandelholz. Es brennt nicht, wenn es feucht ist. Ein Unfall.«
    Schöller verschränkte die Arme und wartete.
    »Sie haben keine Ahnung, wie kalt es hier im Winter werden kann.«
    Schöller schaute zum Fenster. Draußen ging ein strahlender Tag zur Neige.
    »Das ist nicht normal für diese Jahreszeit.«
    Schöller nickte.
    Lang wandte sich an den Beamten, der etwas Englisch sprach. »Sagen Sie ihm, daß ein Tag wie heute für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich ist.«
    Der Beamte zuckte die Achseln. Schöller blickte auf die Uhr.
    »Sagen Sie denen, daß ich kein Brandstifter bin. Sonst behalten die mich hier.«
    Schöller stand auf.
    »Sagen Sie denen, daß ich ein alter Freund des Hauses bin.«
    Schöller schaute auf Konrad Lang herab und schüttelte wieder den Kopf.
    »Haben Sie Elvira erklärt, daß es ein Unfall war?«
    »Ich werde Frau Senn morgen unterrichten.« Schöller ging zur Tür.
    »Was werden Sie ihr sagen?«
    »Ich werde ihr empfehlen, Anzeige zu erstatten.«
    »Ein Unfall«, stammelte Konrad Lang noch einmal, als Schöller den Raum verließ.
    Schöller nahm am nächsten Tag die einzige Maschine, die außerhalb der Saison vom Ioannis-Kapodistrias-Flughafen nach Athen flog. Er hatte einen akzeptablen Anschluß und war am späten Nachmittag in Elvira Senns Arbeitszimmer im »Stöckli«. So nannten die Kochs den Bungalow aus Glas, Stahl und Sichtbeton, den Elvira sich von einem prominenten spanischen Architekten als Alterssitz in den Park der »Villa Rhododendron« hatte bauen lassen. Der Park bestand aus etwa neunzehntausend Quadratmetern leicht abfallendem Gelände mit verschlungenen Weglein durch unzählige Arten von Rhododendren und Azaleen und alten Baumbestand. Das Zimmer war, wie alle Räume, nach Südwesten ausgerichtet und bot eine prächtige Aussicht auf den See, den Hügelzug am anderen Ufer und an klaren Tagen bis hinauf zur Alpenkette.
    Elvira Senn war mit neunzehn als Kindermädchen zu Wilhelm Koch gekommen, dem verwitweten Gründer der Koch-Werke. Dessen Frau war kurz nach der Geburt ihres einzigen Kindes verstorben. Elvira hatte ihn kurz darauf geheiratet und sich zwei Jahre nach seinem frühen Tod wieder verheiratet, diesmal mit dem leitenden Direktor der Koch-Werke, Edgar Senn. Er war ein tüchtiger Mann, der in den Kriegsjahren die Werke – eine nicht sehr innovative aber solide Maschinenfabrik – zum Blühen gebracht hatte. Er produzierte nicht lieferbare Ersatzteile deutscher, englischer, französischer und amerikanischer Autos, Motoren und Maschinen. Nach dem Krieg nutzte er diese Erfahrung und stellte viele der gleichen Produkte in Lizenz her. Die Gewinne der Wirtschaftswunderjahre investierte er in großem Stil in Immobilien, verkaufte rechtzeitig und verschaffte sich so die Mittel für eine breite
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