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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition)
Autoren: Martin Suter
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Rechnung, die von Frau Senn übernommen wird. Für Ausgaben außerhalb dieses Arrangements steht Ihnen ein Taschengeld von wöchentlich dreihundert Franken zur Verfügung, die Sie jeweils am Montag beim Leiter der Filiale Rosenplatz der Kreditbank beziehen können. Er hat Anweisung, Ihnen keine Vorschüsse zu gewähren. Frau Senn hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, daß sie für das alles keine Gegenleistung erwartet oder wünscht. Außer, daß Sie vorsichtig mit Feuer umgehen, möchte ich dem persönlich doch hinzufügen.«
    Schöller schob Konrad Lang das Papier über das Tischchen hin und holte einen Kugelschreiber aus der Brusttasche. »Lesen Sie sich das genau durch, und unterschreiben Sie es in beiden Ausfertigungen.«
    Lang nahm ihm den Kugelschreiber aus der Hand und unterschrieb. Er war zu müde zum Lesen. Schöller griff sich seine Kopie, stand auf und ging hinaus. Bei der Wohnungstür drehte er sich um und kam noch einmal zurück. Er konnte es nicht lassen: »Wenn es nach mir gegangen wäre, wären Sie in Korfu geblieben. Frau Senn ist viel zu großzügig.«
    Er bekam keine Antwort. Konrad Lang war im Fernsehsessel eingeschlafen.

2
     
    Hoffentlich ist Urs nicht zu Hause, dachte Konrad Lang und drückte auf die Klingel. Früher hätte er gehört, wie es weit weg in der Villa läutete, und noch früher, als der schmiedeeiserne Glockenzug noch in Betrieb war, wie es unter dem Vordach über der Haustür schepperte. Aber jetzt war er bald fünfundsechzig und sein Gehör nicht mehr so fein wie einst.
    Deswegen hörte er auch die Schritte des Paares nicht, das aus einem Geländewagen gestiegen war und jetzt auf ihn zukam. Beide trugen Reitkleidung und lehmverschmierte Stiefel. Der Mann war Ende Zwanzig, groß und gutaussehend, wenn man vom Kinn absah, das etwas zum Fliehen neigte.
    Die Frau war jünger, nicht viel über zwanzig, brünett und eher niedlich als schön. Sie schaute ihren Begleiter fragend an. Der hielt den Zeigefinger an die Lippen.
    Sie näherten sich leise dem älteren Herrn, der am Gartentor stand und wartete. Er trug einen Burberry und einen grünen Filzhut, der ihm von weitem etwas Junkerhaftes verlieh.
    Einer der vielen Freunde des Hauses, nahm die junge Frau an, und spielte mit. Auf Zehenspitzen schlichen sie sich heran.
    Konrad Lang legte das Ohr ans Tor und horchte angestrengt. Sind das Schritte?
    Die beiden hatten ihn erreicht, und der Mann schlug mit der flachen Hand hart auf das Torblech.
    »Hallo, Koni, brauchst du Geld?« schrie er.
    Konrad Lang hatte das Gefühl, in seinem Kopf sei etwas explodiert. Er drückte beide Hände an die Ohren. Sein Gesicht war verkniffen, als erwarte er einen weiteren Schlag. Jetzt erkannte er den jungen Mann.
    »Urs«, sagte er leise, »du hast mich erschreckt.«
    Er bemerkte die junge Frau, die konsterniert neben Urs Koch stand, nahm den Hut ab und strich sich über das graue, aus der hohen Stirn gekämmte Haar. Er wirkte, wenn auch auf eine etwas heruntergekommene Art, distinguiert.
    »Konrad Lang.« Er streckte ihr die Hand hin.
    Sie schüttelte sie teilnahmsvoll. »Simone Hauser.«
    »Urs und ich sind alte Freunde. Er meint es nicht so.«
    Urs hatte inzwischen das Tor aufgeschlossen. Es knackte in der Gegensprechanlage. »Ja?« sagte eine Frauenstimme mit Akzent. »Wer ist da?«
    »Niemand, Candelaria«, antwortete Urs Koch. Er hielt Simone das Tor auf und kramte in der Tasche seiner Reithose. Als Simone sich umdrehte, sah sie gerade noch, wie Urs dem alten Herrn eine zerknitterte Note zusteckte, bevor er ihm das Tor vor der Nase zuschlug.
    Der Zusammenstoß mit Urs hatte auch sein Gutes: Es waren hundert Franken dabei herausgesprungen. Vielleicht, weil Urs die rüde Attacke leid tat, oder vielleicht, weil er seine neue Freundin beeindrucken wollte, oder vielleicht einfach nur, weil er in der Eile keinen anderen Schein fand. Jedenfalls waren hundert Franken eine gute Ausbeute. Normalerweise wäre er bei Urs Koch leer ausgegangen.
    Bei Tomi wohl auch. Außer, er hätte ihn in einer seiner sentimentalen Launen angetroffen. Aber die waren in letzter Zeit seltener geworden. Oder Konrads Timing schlechter. Meistens war Tomi gereizt, wenn Konrad auftauchte. Er ließ sich verleugnen oder schickte ihn zum Teufel. Über die Gegensprechanlage oder, im schlimmeren Fall, persönlich am Tor.
    Normalerweise öffnete ihm jemand vom Personal. Wenn er Glück hatte, Candelaria, die ihm ab und zu zwanzig oder fünfzig Franken lieh. Seine Schulden bei ihr betrugen ein
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