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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis
Autoren: Ellis Peters
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1. Kapitel
    Anfang November des Jahres 1139 schlug die Flutwelle des Bürgerkrieges, der bis vor kurzem noch eher lustlos geführt worden war, plötzlich über der Stadt Worcester zusammen und schwemmte die Hälfte des Viehbestandes, der beweglichen Habe und der weiblichen Bevölkerung hinweg. Wer es vermochte, floh vor den plündernden Soldaten rechtzeitig gen Norden, um in Landgütern oder Klöstern, befestigten Städten oder Burgen, an Orten also, die Sicherheit versprachen, Zuflucht zu suchen. Gegen Mitte des Monats hatten einige Versprengte Shrewsbury erreicht und sich mit einem Seufzer der Erleichterung innerhalb der sicheren Mauern des Klosters oder der Stadt niedergelassen, um ihre Wunden zu pflegen und ihre Nöte fürs erste zu vergessen.
    Abgesehen von den Alten und Kranken ging es ihnen nicht allzu schlecht, denn der Winter hatte noch nicht mit voller Macht eingesetzt. Die Wetterkundigen prophezeiten, daß noch größere Kälte kommen werde, mit schweren Schneefällen und strengen Frösten, aber bislang ruhte das Land noch abwartend unter einem milden, bewölkten Himmel. Zwar wehten launische Winde, aber Kälte und Schnee ließen noch auf sich warten.
    »Gott sei gedankt!« sagte Bruder Edmund, der Vorsteher der Krankenstation, demütig. »Sonst hätten wir wohl mehr als drei beerdigen müssen.«
    Es fiel ihm jedoch nicht leicht, für jeden, der dessen bedurfte, ein Bett in seinem Hospiz bereitzustellen, und für die, die keinen Platz mehr fanden, hatte man auf dem Steinfußboden der Halle in dicken Lagen Stroh aufgeschüttet. Noch vor dem Weihnachtsfest würden sie in ihre zerstörte Stadt zurückkehren, aber jetzt, teilnahmslos durch den Schock und erschöpft wie sie waren, brauchten sie all seine Pflege, und die Vorratslage des Klosters war äußerst angespannt. Einige der Flüchtlinge, die entfernte Verwandte in der Stadt hatten, waren bei diesen untergebracht worden und wurden gut versorgt. Eine schwangere Frau, deren Niederkunft kurz bevorstand, war zusammen mit ihrem Mann im Stadthaus von Hugh Beringar, dem stellvertretenden Sheriff der Grafschaft, aufgenommen worden. Seine Frau hatte darauf bestanden. Auch sie befand sich, in Begleitung ihrer Kammerzofen, der Hebamme und eines Arztes, innerhalb der schützenden Mauern der Stadt, denn sie würde ebenfalls noch vor Weihnachten niederkommen, und ihr war jede Frau willkommen, die demselben Ereignis entgegensah und sich in einer Notlage befand.
    »Die Heilige Jungfrau hatte kein solches Glück«, sagte Bruder Cadfael traurig zu seinem guten Freund Hugh.
    »Ah, eine Frau wie die meine gibt es nur einmal! Wenn sie nur könnte, würde Aline jeden heimatlosen Hund von der Straße hereinholen. Für dieses arme Mädchen aus Worcester ist jetzt gesorgt, und ihr fehlt nichts, was sich nicht durch genug Ruhe heilen ließe. Gut möglich, daß noch vor Weihnachten zwei Kinder hier geboren werden, denn bevor sie das Kindbett nicht gut überstanden hat, wird sie sich kaum auf den Rückmarsch machen können. Und doch würde ich sagen, daß die meisten eurer Gäste bald schon ihre Furcht überwinden und nach Hause ziehen werden.«
    »Einige haben uns schon verlassen«, sagte Cadfael, »und noch mehr von den Gesunden werden in den nächsten Tagen aufbrechen. Es ist ja nur natürlich, daß sie nach Hause wollen, um nach Kräften wiederherzustellen, was zerstört wurde. Man sagt, der König sei mit einer starken Armee auf dem Weg nach Worcester. Wenn er die Garnison besser bemannt als zuvor zurückläßt, werden sie dort den Winter über in Sicherheit sein.
    Natürlich werden sie sich aus den östlichen Gegenden Vorräte beschaffen müssen, denn ihre eigenen dürften geplündert sein.«
    Cadfael kannte den Anblick, den Gestank und die Trostlosigkeit einer geplünderten Stadt aus eigener Erfahrung, denn er war in jüngeren Jahren Seemann und Soldat gewesen, und dieses Leben hatte ihn weit herumkommen lassen. »Und nicht nur, daß sie ihre Vorräte vor Weihnachten noch wieder auffüllen wollen«, fügte er hinzu, » - auch der Winter liegt nun schon allzu deutlich in der Luft. Wenn die Straßen sicher sind, dann können sie jetzt wenigstens trockenen Fußes und warm reisen, aber wer weiß, wie hoch der Schnee in einem Monat oder gar schon in einer Woche liegen wird?«
    »Ich kann beim besten Willen nicht mit Gewißheit sagen, ob die Straßen wirklich sicher sind«, sagte Beringar vorsichtig.
    »Hier in Shropshire haben wir alles fest in der Hand - bis jetzt!
    Aber aus
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