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Zirkusluft

Zirkusluft

Titel: Zirkusluft
Autoren: Matthias P. Gibert
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    Wahlburg sah sich nervös um. Seit mehr als 20 Minuten wartete er auf den Mann, der ihn in diese billige Imbissbude am Stadtrand von Kassel bestellt hatte. Die Bedienung hinter der Theke blätterte gelangweilt in einem Magazin und sehnte augenscheinlich den Feierabend herbei.
    »Machen Sie mir bitte noch eine Cola«, sagte er möglichst unbeteiligt, obwohl er sicher war, dass die Frau seine Nervosität spürte.
    »Sofort!«, gab sie zurück, ohne den Kopf zu heben. Dann drehte sie den Oberkörper, zog an der Kühlschranktür hinter ihrem Rücken, griff nach einer Colaflasche und platzierte sie auf der Theke. Während der ganzen Aktion hatte sie die Illustrierte keinen Moment aus den Augen gelassen.
    »Bitte!«
    Der kleine Mann stand auf, ging mit kurzen, trippelnden Schritten auf die Essensausgabe zu, nahm die feuchte Flasche in die Hand und setzte sich wieder.
    »Einsfünfzig.«
    »Bitte?«, fragte er.
    »Macht einsfünfzig , wie bei der ersten Pulle auch.«
    »Ich warte auf jemanden. Kann ich später zahlen, wenn wir gehen? Vielleicht essen wir auch noch etwas.«
    Sie blickte kurz auf.
    »Na, von mir aus!«
    Offensichtlich hatte sie keine Angst, dass dieser kleine, übergewichtige Mann sich mit einem beherzten Sprint vor seinen Zahlungsverpflichtungen drücken würde.
    Wahlburg öffnete den Verschluss und nahm einen tiefen Schluck. Dann stellte er die Flasche auf den Tisch zurück und roch unauffällig am Ärmel seines Pullovers. Wenn seine Frau riechen würde, dass er in einem Imbiss gesessen hatte, würde er ein Problem bekommen. Ein großes Problem.
    Sein Blick durchdrang die fettige, blind gewordene Fensterscheibe und freute sich an den letzten Sonnenstrahlen. Mit einem glücklichen Lächeln betrachtete er die Fahrzeuge, die auf der nahe gelegenen Autobahn an Kassel vorbeirasten. Spätestens übernächstes Jahr würde ein schickes Cabrio in seiner Garage stehen. Einer dieser hübschen Wagen, die per Knopfdruck die uneingeschränkte Sicht auf den blauen Himmel freigaben. Bei der Auswahl schwankte er noch zwischen einem deutschen und einem japanischen Modell, aber bis er das Geld zusammengespart hatte, würde er sich entscheiden. Und mit der Summe, die ihm der Mann, auf den er wartete, gleich übergab, klappte es vielleicht schon im nächsten Jahr.
    »Hallo, Herr Wahlburg.«
    Der Angesprochene zuckte erschreckt zusammen, wie ein Junge, den man beim Kirschenklauen erwischt hatte, und warf dabei die vor ihm stehende Flasche um. Hastig griff er danach, bekam sie zu fassen und stellte sie wieder vor sich ab. Dann versuchte er mithilfe einer Serviette, die braune Brühe zu binden.
    »Nur nicht nervös werden, Herr Wahlburg.«
    Der große Mann mit dem dunklen Teint, der, unbemerkt von Wahlburg, den Imbiss betreten hatte, sah mit einem besorgten Blick Richtung Theke, doch die Bedienung hatte nicht einmal den Kopf gehoben.
    »Wo bleiben Sie denn? Ich sitze seit einer halben Stunde hier rum und warte auf Sie!«, zischte der Kleine kaum hörbar und nestelte dabei an seiner Brille. »Natürlich hat mich die Warterei nervös gemacht.«
    »Jetzt bin ich ja da, also können Sie sich entspannen.«
    »Gut. Haben Sie mein Geld?«
    Im Gesicht seines Gegenübers war ein Lächeln zu erahnen, als er sich setzte.
    »Haben Sie dabei, worum ich Sie gebeten habe?«
    Wahlburg klopfte mit der rechten Hand auf eine schwarze Aktentasche, die neben ihm lag.
    »Natürlich. Aber ich sage Ihnen gleich, dass ich nicht noch einmal das Risiko eingehe. Es war ganz knapp davor, dass mein Chef mich erwischt hätte. Und ich habe keine Lust, wegen dieser paar Kröten meinen Job zu verlieren.«
    »Selbstverständlich nicht, Herr Wahlburg. Unsere Geschäftsbeziehung endet heute, genau, wie wir es vor drei Monaten vereinbart haben. Drei Lieferungen, nicht mehr, das war die Abmachung.«
    Der Kleine nickte zustimmend.
    »Drei Lieferungen, dann ist Schluss.«
    »Aber die heutige Lieferung ist komplett?«
    Wahlburg sah ihn empört an.
    »Natürlich, was glauben Sie denn? Meinen Sie, ich will Sie übers Ohr hauen?«
    Von der anderen Seite des Tisches kam eine beschwichtigende Handbewegung.
    »Daran würde ich nicht einmal im Traum denken. Sie bekommen von mir gutes Geld und liefern dafür gute Ware.«
    Damit schob der Mann einen braunen DIN-A5-Umschlag über den Tisch. Wahlburg griff gierig danach, riss ihn auf, sah hinein und fing dann an zu grinsen. Sein Traum von einem Cabriolet rückte in diesem Moment in greifbare Nähe.
    »Wenn ich dann bitten
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