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Der Zeitläufer

Der Zeitläufer

Titel: Der Zeitläufer
Autoren: Donald A. Wollheim
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Der Zeitläufer
     
    Ein Fehlgriff ... Angst ... Schub ... Gestoßen in das Unmögliche, verloren, niemand weiß wie, der falscheste Mann am falschesten aller falschen Plätze in diesem unvorstellbaren Zusammenbruch eines nie wieder vorstellbaren Mechanismus.
    Gestrandet. Abgelöst. Die Lebenslinie abgeschnitten. Das Zerbrechen aller Bande in einer Nanosekunde. Alles läuft auseinander. Die längste Verbindungsschnur zum Leben schlängelt sich davon, entzieht sich für immer seinem Griff, entzieht sich auch allmählich seinem Blickfeld, verschwindet im Wirbel, hinter dem sein Heim, sein Leben, seine einzige Seinsmöglichkeit liegt.
    Aufgesaugt von einem weiten Rachen schmilzt es dahin, läßt ihn verwaist zurück an einer Küste der Irrtümer, die nie in irgendein Bewußtsein gelangt – der Schönheit jenseits allen Glücksgefühls vielleicht? Des Entsetzens? Des Nichts? Oder nur eines grundlegenden Andersseins?
    Vielleicht.
    Dieser Ort, an den er geschleudert wurde, bietet ihm keine Lebensmöglichkeit. Und er, wild, tapfer, verrückt, zum verkörperten Protest geworden, ist dort eine zur Körper-Faust umgeformte Nichtanerkennung seines Hineingewirbeltwerdens in diesen Zustand, an diesen Ort, an dem er vergessen ist, zurückgewiesen und exiliert, an dem er verzweifelt hungert nach einem Heimkommen.
    Unerreichbar sein Heim, SEIN HEIM. Kein Weg, kein Transportmittel, kein Fahrzeug, keine Maschine und keine Kraft; nichts, nur dieses Heimwärtsverlangen entlang diesem schwindenden Träger, seiner letzten und einzigen Lebenslinie ...
    Und was tat er?
    Er ging.
    Nach Hause.
     
    Niemand wußte genau zu sagen, was nun eigentlich im Teilchenbeschleuniger Bonneville, Idaho, vorgefallen war. Es wurde auch nie bekannt, weil alle jene, die in der Lage gewesen wären, eine fehlerhafte Funktion zu diagnostizieren, fast sofort in der folgenden riesenhaften Katastrophe untergingen.
    Niemand begriff auch diese zweite Katastrophe. Gewiß wußte man nur, daß am 2. Mai 1989 alter Zeitrechnung, genau um 11.53 Uhr und 6 Sekunden die Labors von Bonneville mit dem gesamten Personal in eine recht gründlich aufgespaltene Form von Materie, die einem Plasma von höchster Energie ähnelte, verwandelt wurden, und all das verflüchtigte sich mit Blitzgeschwindigkeit in die Atmosphäre, begleitet von starken seismischen und radioaktiven Erscheinungen.
    Das ganze betroffene Gebiet umschloß leider auch die Operationsbasis einer Wasserstoffbombe vom Typ Wachhund.
    Die in den nächsten Stunden folgende Verwirrung bewirkte eine recht merkliche Reduzierung der Erdbevölkerung, eine Veränderung der Biosphäre und unzählige über die ganze Erde verteilte größere und kleinere Krater. Noch etliche Jahre später kämpfte die übriggebliebene Menschheit um das nackte Überleben, und die merkwürdige Staubpfanne in Bonneville überließ man von nun an dem Wetter und den veränderten klimatischen Zyklen.
    Es war kein sehr großer Krater, nur etwas mehr als ein Kilometer im Durchmesser, und die sonst übliche Randverwerfung fehlte. Die ganze Fläche war mit feinstverteilter Substanz bedeckt, die bald zu Staub trocknete. Ehe die großen Regen einsetzten, war es eine fast flache Pfanne. Nur bei einer bestimmten Beleuchtung konnte ein aufmerksamer Beobachter genau im Mittelpunkt einen völlig nackten, kahlen Fleck entdecken.
     
    Zwei Dekaden nach dem Unglück kam aus dem Süden eine Gruppe kleiner, braunhäutiger Menschen, und sie brachten eine Herde seltsam aussehender Schafe mit. Um diese Zeit war der Krater schon die weite, flache Pfanne, in der das Gras nur sehr dürftig wuchs. Doch weder dieses Gras, noch jenes, das außerhalb des Kraters wuchs, schien den Schafen zu schaden. Am Südrand der Pfanne wurden ein paar grobe Blockhütten errichtet, und durch den Krater selbst zeichnete sich allmählich ein Trampelpfad ab, der aber den kahlen Fleck in der Mitte aussparte.
    An einem Frühlingsmorgen rannten zwei Kinder, die Schafe durch die Pfanne getrieben hatten, schreiend zu den Hütten zurück. Vor ihnen war aus dem Boden ein Monstrum aufgetaucht, ein riesiges, flaches Tier, das einen schrecklichen Lärm verursachte. Es verschwand unter Blitz und Erdbeben und ließ einen unangenehmen Geruch zurück. Die Schafe waren davongelaufen.
    Einige Erwachsene gingen der Sache nach. Sie fanden jedoch kein Zeichen von dem Monstrum und auch keine Stelle, wo es sich hätte verstecken können, und deshalb verprügelten sie die Kinder.
    Im folgenden Frühling
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