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Rosendorn

Rosendorn

Titel: Rosendorn
Autoren: Jenna Black
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verhindern wollte, dass mein Dad mich fand. Sie hatte Angst, dass er versuchen würde, mich ihr wegzunehmen. Und angesichts der Tatsache, dass sie nicht gerade ein Paradebeispiel für elterliche Perfektion ist, wäre das durchaus möglich.
    Ich hatte meinen Vater nie kennengelernt, doch meine Mom hatte mir alles über ihn erzählt. Die Geschichte änderte sich natürlich – je nachdem, wie betrunken und/oder deprimiert sie gerade war. Mit ziemlicher Sicherheit stimmt aber meiner Meinung nach, dass Mom in Avalon geboren wurde und den Großteil ihres Lebens dort verbracht hat und dass mein Dad ein hohes Tier unter den Feen ist. Meiner Mom war das allerdings nicht klar gewesen, als sie anfing, sich mit ihm zu treffen. Sie fand es schließlich heraus, und als sie schwanger wurde, verließ sie die Stadt, noch ehe irgendjemand etwas bemerkte.
    Manchmal sagte meine Mutter, sie habe Avalon den Rücken gekehrt, weil mein Dad ein fürchterlicher, böser Mann wäre und weil er mich mit Sicherheit unvorstellbar schlecht behandelte, würde ich bei ihm leben. Das war ihre Version, wenn sie nüchtern war, die Geschichte, die sie sich ausgedacht hatte, um dafür zu sorgen, dass ich kein Interesse daran hätte, ihn kennenzulernen. »Er ist ein Monster, Dana«, brachte sie immer dann als Erklärung an, wenn wir schon wieder umziehen mussten. »Ich kann nicht zulassen, dass er dich findet.«
    Aber wenn sie stockbesoffen war und mich mit allem volllallte, was ihr gerade in den Sinn kam, erklärte sie mir, dass sie Avalon verlassen habe, weil ich sonst als Tochter eines hohen Tieres unter den Feen aufgewachsen und so in hässliche politische Machenschaften geraten wäre. Wenn sie in so einer Stimmung war, konnte sie stundenlang darüber reden, was für ein toller Kerl mein Vater gewesen sei, dass sie ihn mehr geliebt habe als ihr eigenes Leben, doch dass ihre Verantwortung als Mutter eben an erster Stelle kommen müsse. Würg!
    Am liebsten hätte ich mich noch vor Ende des Konzertes weggeschlichen, aber das konnte ich nicht riskieren. Möglicherweise war Mom dumm genug gewesen, um mit dem Auto zu kommen, und auf keinen Fall konnte ich sie in ihrem Zustand allein nach Hause zurückfahren lassen. Ich muss zugeben, dass mir der Gedanke kam – und das nicht zum ersten Mal –, dass mein Leben sich deutlich verbessern könnte, wenn sie bei einem Autounfall ums Leben käme. Sofort schämte ich mich dafür, diesen Gedanken überhaupt zugelassen zu haben.
Natürlich
wollte ich nicht, dass meine Mutter starb. Ich wollte einfach nur, dass sie keine Alkoholikerin mehr war.
    Ms. Morris nahm mich an die Seite, nachdem alle Beteiligten vorgesungen hatten. Das Mitgefühl in ihren Augen war fast mehr, als ich ertragen konnte. »Brauchst du Hilfe, Dana?«, fragte sie leise.
    Ich schüttelte den Kopf und mied ihren Blick. »Nein. Danke. Ich … werde mich um sie kümmern.« Meine Wangen glühten wieder, also verschwand ich so schnell wie möglich. Dabei achtete ich darauf, meinen Mitschülern aus dem Weg zu gehen, die mir entweder zu meinem brillanten Auftritt gratulieren (ja, genau!) oder einfach einen besseren Blick auf meine Mom erhaschen wollten, damit sie es all ihren Freunden erzählen konnten.
    Mom versuchte gerade, sich unter die anderen Eltern zu mischen, als ich zu ihr kam. Sie war allerdings zu betrunken, um die unterschwelligen »Sie sind eine Säuferin, also lassen Sie mich in Ruhe«-Schwingungen zu verstehen, die die anderen Eltern aussandten. Mit dem Gefühl, dass mich noch immer alle anstarrten, ergriff ich ihren Arm.
    »Komm, lass uns nach Hause fahren«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Dana!« Sie schrie beinahe. »Du warst
wundervoll!
« Sie umarmte mich so fest, als hätte sie mich drei Jahre lang nicht gesehen.
    »Freut mich, dass es dir gefallen hat«, zwang ich mich zu sagen, während ich mich aus ihrer erdrückenden Umklammerung wand und sie Richtung Ausgang zog. Es schien ihr nichts auszumachen, quer durch den Saal gezerrt zu werden. Das war wenigstens etwas. Es hätte noch schlimmer sein können, versuchte ich mir einzureden.
    Ich musste Mom nicht einmal fragen, ob sie mit dem Wagen hier war, denn sobald wir nach draußen kamen, konnte ich das Auto sehen: Es war so schief abgestellt, dass es drei Stellplätze belegte. Ich schickte einen stummen Dank gen Himmel, dass es ihr nicht gelungen war, jemanden umzubringen.
    Ungeduldig streckte ich meine Hand aus. »Die Schlüssel.«
    Sie schniefte und
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