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Internetpiraten

Internetpiraten

Titel: Internetpiraten
Autoren: Ulf Blanck
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Computerschaden
    Gleichmäßig rollten lange Wellen über den weiten Pazifik und verschwanden lautlos am Horizont. Aus dem wolkenlosen kalifornischen Himmel strahlte die Sonne auf das glitzernde Wasser. Mit geschlossenen Augen lag Justus Jonas auf einer weichen Luftmatratze und ließ sich auf den sanften Wogen treiben. Nur aus der Ferne hörte er das leise Kreischen einer Möwe. Doch allmählich wurde dieses Rufen lauter und eindringlicher. Unablässig dröhnte ein schrilles Krächzen in seinen Ohren und verwandelte sich schließlich in das Bimmeln einer Türklingel. Erschrocken riss Justus die Augen auf, rollte zur Seite und fiel aus seinem Bett. »Tante Mathilda! Da ist jemand an der Tür!«, rief er verschlafen und schielte mit einem Auge auf den Wecker. Es war gerade mal sieben Uhr morgens – und das am Samstag. Aber er schien der Einzige im Haus zu sein, der von dem aufdringlichen Klingeln geweckt worden war. »Ja, ja … komme schon«, 

    murmelte er genervt und schlurfte die Holztreppe hinunter.  Vor der Haustür stand ein Mann in Uniform und lachte ihn freundlich an. »Guten Morgen, mein Herr. Ihre Lieferung.«  Ungläubig betrachtete Justus den Zettel, der ihm vorgehalten wurde. »Es ist die bestellte Ware für einen Titus Jonas. Bist du das?«  »Nein, das ist mein Onkel. Aber ich kann es auch annehmen. Wo muss ich unterschreiben?« Justus machte eine krakelige Unterschrift auf dem Lieferschein. Es kam öfter vor, dass Onkel Titus sich etwas schicken ließ. Meist waren es Ersatzteile für irgendwelche Apparaturen, die er auf seinem Schrottplatz reparieren wollte.  »Die Kartons habe ich vor dem Schuppen abgestellt«, grinste der Kurierfahrer und verschwand anschließend in einem Lieferwagen. Mittlerweile erschien auch Tante Mathilda und steckte ihre Haare zusammen. »Wer kommt uns denn so früh besuchen?«  »Och, sind nur ein paar Pakete für Onkel Titus«, antwortete Justus und zeigte auf die aufgestapelten Kartons an der Schuppenwand. Sie schnappte nach Luft. Doch bevor Tante Mathilda sich richtig aufregen konnte, wurde sie von Onkel Titus zur Seite geschoben.  »Keiner fasst was an! Das ist meine erste Internet-Bestellung«, verkündete er stolz. Seine Frau zog  den Gürtel ihres rosa Morgenrocks zusammen. »Du hast was übers Internet bestellt?«, fragte sie.  »Genau. Man muss mit der Zeit gehen. Wozu an der Kasse stehen, wenn es einem bis vor die Haustür gebracht wird. Wo ist überhaupt mein Paket?«  »Dein Paket?«, wiederholte Justus irritiert. »Die haben dir eine halbe Lastwagenladung geschickt.«  Jetzt rannten alle aufgeregt zum Schuppen. Onkel Titus nahm den erstbesten Karton und riss ihn hektisch auf. »Na bitte, genau richtig. Grüne Hausschuhe. Das Sonderangebot für Erstbesteller.«  Justus hielt noch immer den Lieferschein in der Hand. Erst jetzt las er, was er vor wenigen Minuten unterschrieben hatte.  »Hier steht tatsächlich was von grünen Hausschuhen – aber 43 Stück.«  »Titus! Du hast 43 Paar Hausschuhe gekauft?«, stöhnte Tante Mathilda.  »Nein, nein, nein … das muss ein Versehen sein«, stammelte ihr Mann verzweifelt. »Ich habe nur ein Paar bestellt. Ein Paar in Größe 43.«  Justus Jonas schwante Böses. »Größe 43? Und bist du dir sicher, dass du das nicht falsch eingetra-gen hast?«  Jetzt begriff auch Tante Mathilda. »Ich will es einfach nicht glauben. Du hast die ganze Bestellung durcheinander gebracht. 43 Stück statt Größe 43.  Ich habe noch nie was von diesem ganzen Computerkram gehalten. Ruf sofort an und lass die Hausschuhe wieder abholen!«  Zerknirscht ließ sich Onkel Titus auf ein verrostetes Ölfass nieder. »Geht nicht. Sonderangebote sind vom Umtausch ausgeschlossen.«  Der Vormittag war gelaufen. Schweigend saßen sie beim Frühstück und starrten in ihre Teetassen.  Anschließend gingen Justus und sein Onkel in den Schuppen. Dort stand der neu angeschaffte Computer. Erst vor kurzem hatte Onkel Titus diesen sehr günstig bei einem Trödler erstanden. Justus rief noch einmal das Bestellformular auf. »Da ist nichts zu machen. Du hast dich tatsächlich in der Zeile vertan.«  Niedergeschlagen zog der Schrottplatzbesitzer den Stecker aus dem Computer. »Diese Dinger sind nichts für mich. Beim nächsten Mal geh ich wieder in Porters Laden, hier in Rocky Beach.«  Plötzlich hörte man von draußen die Klingeln von zwei Fahrrädern. »Just! Wo steckst du? Oder schläfst du etwa noch?« Es war die Stimme von Peter Shaw. Justus
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