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Rosendorn

Rosendorn

Titel: Rosendorn
Autoren: Jenna Black
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mir nur noch im Gedächtnis geblieben, dass es völlig anders als jedes andere Regierungssystem auf der Welt war und dass Rechte und Pflichten zu gleichen Teilen zwischen den Menschen und den Feen aufgeteilt waren.
    Grace öffnete zwar den Kofferraum für mich, doch das Tragen überließ sie mir. Zum Glück hatte mein Koffer Rollen. Schweigend führte sie mich eine Seitenstraße mit Kopfsteinpflaster entlang. Es war nicht gerade einfach, den Koffer über das holprige Pflaster zu ziehen, und ich musste höllisch aufpassen, dass der Koffer nicht umkippte. Und dass er nicht in die Pfützen in den Kuhlen rollte oder in die Pferdeäpfel, die der gesamten Straße diesen unverwechselbaren Geruch nach Scheune verliehen.
    Man sah mir mein Befremden offensichtlich an, denn zum ersten Mal, seit wir uns begegnet waren, gab Grace mir tatsächlich freiwillig Auskunft.
    »Der Verbrennungsmotor funktioniert in Faerie nicht«, erklärte sie. »Diejenigen, die einen Grund haben, notgedrungen zwischen Avalon und Faerie zu pendeln, tun das auf dem Rücken eines Pferdes. Deshalb siehst du hier viel mehr Pferde als in den meisten anderen Städten.«
    Das war wahrscheinlich eine faszinierende Information, und zweifellos hätte ich mich staunend in dieser fremdartigen Umgebung umsehen sollen. Aber der Jetlag war zu überwältigend, und ich hatte einfach zu viel mit meinem blöden Koffer zu tun.
    Ich war unsagbar erleichtert, als wir endlich vor einem hübschen gemauerten Reihenhaus anhielten. Es hatte drei Etagen und war ziemlich schmal, doch die altmodischen Bleiglasfenster und die Blumenkästen, in denen üppige weiße Rosen blühten, verliehen ihm ein freundliches, anheimelndes Aussehen.
    Tante Grace murmelte leise etwas, und die Türschlösser klickten ein paarmal, ehe die Tür aufschwang. Niemand hatte sie berührt.
    Magie, flüsterte mein Verstand mir zu. Aber ich war zu müde und schlecht gelaunt, um angemessen beeindruckt zu sein.
    Ich konnte mir die Inneneinrichtung nicht genau ansehen, da Grace mich umgehend die Treppe in den dritten Stock hinaufführte. Und nein, sie bot mir nicht an, mir zu helfen, meinen Koffer die schmalen Holztreppen hinaufzuschleppen.
    »Da wären wir«, verkündete sie und öffnete die erste Tür am Ende der Treppe.
    Ich zerrte mein Gepäck über die Schwelle und ließ es dann heilfroh fallen. Das Zimmer sah wirklich nett aus, doch ich hatte nur Augen für das riesige Bett, das so herrlich weich wirkte. Noch nie hatte ein Bett einladender ausgesehen.
    Grace schmunzelte angesichts meines offensichtlichen Verlangens. »Ich lass dich dann mal allein, damit du dich ausruhen kannst«, sagte sie. »Es gibt ein eigenes Bad zu diesem Zimmer. Gleich da hinten entlang.« Sie wies auf eine geschlossene Tür am anderen Ende des Raumes.
    »Danke«, entgegnete ich höflich. Ich machte ein paar Schritte auf das Bett zu. Wahrscheinlich hätte ich erst meinen Kulturbeutel aus meinem Gepäck holen und mir wenigstens die Zähne putzen sollen, aber die Verlockung, endlich schlafen zu können, war zu groß.
    »Schlaf gut, meine Liebe«, sagte Grace. Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss, und weg war sie.
    Ich hatte gerade meine Hand auf die flauschige Bettdecke gelegt, um sie zurückzuschlagen, als ein unverkennbares Klicken ertönte.
    Ich blinzelte. Nein, ganz bestimmt hatte ich nicht das gehört, was ich glaubte, gehört zu haben.
    Einen Moment lang verdrängte meine Angst meine Müdigkeit, und ich ging zur Tür. Ich konnte Graces sich entfernende Schritte auf der Holztreppe hören. Vorsichtig packte ich den Türknauf und hoffte wider besseres Wissen, dass ich mich irrte, als ich ihn zu drehen versuchte. Doch er rührte sich keinen Millimeter.
    Meine liebe Tante Grace hatte mich soeben eingesperrt.

[home]
    3. Kapitel
    S elbstverständlich versuchte ich, gegen die Tür zu hämmern und zu schreien, aber ich kann nicht sagen, dass es mich sonderlich überraschte, als das nichts nutzte. Der einzige andere Weg aus dem Zimmer war der durchs Fenster, das so hoch angebracht war, dass ich auf einen Stuhl steigen musste, um hinaussehen zu können. Und was ich sah, war ziemlich entmutigend. Ich war im dritten Stock, und damit erwies sich die Idee, aus dem Fenster zu klettern, nicht als besonders gut – selbst wenn ich es hätte öffnen können. Soweit ich es überblicken konnte, hatte es zwar kein Schloss, und es sah auch nicht aus, als würde der Lack es abdichten, doch wiederholtes Dagegenhämmern und Versuche, es aufzubrechen,
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