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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
Autoren: Andreas Winkelmann
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    Seit Stunden lag sie auf einem Gitter aus eckigen Metallstreben, die ihr schmerzhaft ins Fleisch drückten. Darunter war ein Hohlraum, aus dem ekelerregender Gestank aufstieg. Sobald sie sich bewegte, rasselten die Ketten, mit denen sie an das Gitter gefesselt war, und das Geräusch hallte in einer scheinbar endlosen Halle gespenstisch wider. Die Ketten ließen ihr einigen Bewegungsspielraum, aber es tat weh, mit nackter Haut über das grobe Metall zu rutschen. Von vollkommener Dunkelheit umgeben, hatte sie die Abmessungen ihres Gefängnisses ertasten müssen. Oben, unten, rechts, links, überall hatte sie unter ihren Fingern und Zehen rauen Putz gespürt. Anscheinend war sie von Mauern umgeben, die sich nach oben hin in einen großen Raum öffneten.
    Sie wusste weder, wie sie hierhergekommen war, noch wo sie sich befand. Sie wusste nur, dass ihre Träume vorbei waren, noch ehe sie begonnen hatte, sie zu leben.
    Über das Schreien, Flehen, Weinen und das Gezerre an den Ketten bis zur Erschöpfung war sie längst hinaus. Die bittere Kälte setzte ihrem nackten Körper immer mehr zu, stahl ihre Kraft und ihre Hoffnung. Niemand hatte sie schreien hören und niemand würde ihr zu Hilfe eilen, das hatte sie verstanden, und trotzdem wollte sie sich nicht damit abfinden, hier sterben zu müssen.
    Die Stille war entsetzlich. Wenn sie ganz ruhig war und den Atem anhielt, hörte sie absolut nichts. Sie ertrug diese Stille nicht mehr, ertrug es nicht, dass sich überhaupt nichts veränderte.
    Warum kam er nicht zurück? Wenn sie nur mit ihm sprechen könnte, dann würde alles wieder gut werden.
    Als er dann wirklich kam, bereute sie ihren Wunsch.
    Dem feinen Sprühregen, der plötzlich auf sie niederging, konnte sie nicht entkommen, ganz gleich, wie hastig sie über die Metallstreben rutschte. Die kalten Tropfen überzogen ihre Haut mit einem gleichmäßigen Film, und als sie schon glaubte, das Schlimmste überstanden zu haben, bissen die Tropfen zu.

Freitag, 26. Februar 2010
    Ihre zierliche Hand verharrte zur Faust geballt vor der Tür.
    Vor dieser schweren, feuerfesten Metalltür, deren Klinke sie seit Monaten nicht mehr berührt hatte, weil es ihr verboten war, die Tür zu öffnen. Der Raum dahinter war schon immer allein sein Reich gewesen, und es hatte sie nie wirklich interessiert, womit er sich dort beschäftigte. Aber da er seit einigen Wochen immer mehr Zeit darin verbrachte, fragte sie sich jetzt doch, in was für eine Welt er verschwand, wenn sich die Tür mit einem lauten Donnern hinter ihm schloss.
    Er hatte sich verändert, seitdem er seine wenige freie Zeit dort drinnen verbrachte. Einerseits war er ruhiger geworden, geradezu in sich gekehrt, dann aber auch wieder auf eine aggressive Art erregt, so als warte er auf etwas Bestimmtes und könne es kaum noch aushalten. Dann strahlten seine Augen wie die eines kleinen Jungen zu Weihnachten, mit dem Unterschied, dass es ein kaltes, selbstzufriedenes Strahlen war. Zweimal war er spätabends herausgekommen und hatte sie mit Aufmerksamkeit geradezu überschüttet. Aber so wie ein Hund seinem Herrn, der ihn einmal geschlagen hat, nie mehr wirklich vertraut, hatte auch sie dieser Verwandlung nicht getraut. Zu Recht, wie sie beide Male kaum einen Tag später zu spüren bekommen hatte.
    Wenn sie allein im Haus saß und lauschte, hörte sie nichts. Was immer er dort tat, tat er absolut geräuschlos. Allerdings hatte er anfangs Verletzungen davongetragen. Nicht, dass er sie ihr gezeigt oder um Hilfe gebeten hätte, aber die weißen Mullverbände an seinen Händen waren kaum zu übersehen gewesen.
    Sie hatte schon früh verstanden, wie wenig Sinn es hatte, ihm Fragen zu stellen. Er hatte eben seine Geheimnisse, damit musste sie sich abzufinden. Und warum auch nicht! Sie selbst besaß ja auch einen solchen Raum, nur dass ihrer tief in ihrem Inneren verborgen lag – und sie daher weder Türen noch Drohungen benötigte, um ihr einziges, unerhörtes Geheimnis zu bewahren.
    Ihre trotzdem stets wachsende Neugierde, was er eigentlich dort drinnen tat, wurde von ihrer Angst in Schach gehalten. Nicht nur die Angst vor ihm, sondern auch die Angst vor der Antwort auf die Frage selbst. Nicola hatte längst beschlossen, es nicht wissen zu wollen.
    Aber sie hatte davon geträumt, und das war schlimm genug gewesen.
    Ein Alptraum, aus dem sie schweißgebadet aufgeschreckt war, völlig verängstigt von den Bildern, die sich wie der Rauch einer eben gelöschten
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