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0056 - Die Teufelshöhle

0056 - Die Teufelshöhle

Titel: 0056 - Die Teufelshöhle
Autoren: Dieter Saupe
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Nur nicht in die Gewalt des Großen Shuris geraten! Nicht in die Gewalt dieses grauenvollen Geistes einer vergangenen Zeit, da die Könige der Tamilen und der Singhalesen um die Herrschaft der grünen Insel stritten.
    Rawisa lief und lief. Ihre Füße schmerzten. In ihrem Kopf pochte das Blut und drohte ihre Adern zu sprengen. Und fast körperlich spürte sie den Atem der hetzenden Furien hinter sich. Sie wusste, dass man ihr den Weg abschneiden würde. Sie musste versuchen, von diesem Waldweg auf den Pfad zu gelangen, der zurück auf die Straße führte.
    Dort könnte sie um Hilfe rufen, würde Menschen finden, die sie beschützten.
    Aber hier, auf den schmalen Trampelpfaden zwischen Dickicht und Bäumen, zwischen den gefährlichen Lianenpflanzen und dornigen Büschen, hier in der Mitte des Regenwaldes, war sie auf sich allein gestellt.
    Sie versuchte, sich selber anzuspornen.
    Lauf, Rawisa , sagte sie zu sich.
    Du musst den Furien entkommen! Nimm deinen ganzen Mut zusammen! Du willst nicht in ihre Gewalt kommen, wie die vielen anderen Mädchen vor dir!
    Die lüsternen Augen des Großen Shuri sollen nicht auf mir ruhen! Sie dürfen mich nicht tanzen sehen. Und seine Finger werden meine Haut nicht berühren, werden mich nicht zum Tanzen zwingen. Sie werden meinen Körper nicht dazu bringen, vor ihnen im Tempel zu tanzen!
    Mit Schaudern dachte Rawisa an den Bericht Sitas. Noch während sie lief, wiederholte sie sich in Gedanken jedes Wort der Cousine, die mit einer List den Anführer der Furien überwunden hatte und geflohen war.
    »Sie schläfern dich ein«, hatte Sita erzählt. »Du meinst jedenfalls, dass die Shuris oder die Gelben Furien dich in Schlaf bringen möchten. Aber sie verfolgen ein scheußliches Ziel dabei. Sie lähmen deinen Willen, sie brechen deinen Geist und machen dich unterwürfig. Sie geben dir Tee und heiße Getränke. Darin haben sie Essenzen aus unbekannten Kräutern gemischt. Sie lösen deinen Willen vollkommen auf. Wenn du erwachst, siehst du deine Umgebung zunächst nur wie wankende Schatten. Dann weißt du, dass sie vor dem Großen Shuri tanzen. Und du selbst spürst, wie deine Glieder sich mitbewegen, unter einem unerklärbaren Zwang, und im Rhythmus einer fremden, dröhnenden, lockenden Musik. Dein Körper gehorcht dem Willen des großen Shuri. Du willst stehen bleiben. Du willst nicht mittanzen. Du willst deinem Körper nicht erlauben die aufreizenden Drehungen und Bewegungen zu machen, die dich dem Großen Shuri immer begehrenswerter machen, die dich ihm immer mehr ausliefern. Aber du hast nur noch schwache Gedanken. Du bist nicht fähig zur Gegenwehr. Deine Glieder bewegen sich durch eine andere Kraft. Dein Körper dreht sich nach einem neuen Gesetz. Die Gifte, die du getrunken hast, haben deinen Widerstand gelähmt. Du bist eine Tänzerin des Shurigeistes geworden, und du kannst dich dem nicht entziehen. Halb entblößt siehst du verwundert, wie dein Körper sich im Kreis der anderen gefangenen Mädchen dreht. Du bist ein Werkzeug geworden, denn du bist kein Mensch mit freiem Willen mehr.«
    Rawisa wurde von Ekel geschüttelt, als sie an diesen Bericht dachte. Aber die Furcht verdoppelte auch ihre Kräfte. Behände und schnell lief sie durch das Dornendickicht. Die Kratzer und Wunden, die sie sich dabei zuzog, hätte sie schon nicht mehr zählen können.
    Messerscharfe Felsstücke ritzten ihre Sohlen auf. Aber das Mädchen spürte den Schmerz nicht. Sie dachte nur daran, ihren Verfolgern zu entkommen.
    Zunächst sah es so aus, als würde ihr das gelingen. Die weiten und langen Kutten der falschen Mönche hinderten ihre wutschnaubenden Verfolger daran, ein scharfes Tempo vorzulegen.
    Aber der dichte Regenwald hatte genügend Fallen für das fliehende Mädchen bereit. Wurzeln stellten sich ihr in den Weg. Von den dichten Baumkronen klatschten bei jedem Windstoß wahre Regengüsse herab.
    Ihre Füße versanken in schlammiger Erde. Rawisa machte sich frei, lief weiter, stolperte und glitt aus. Sie raffte sich auf, tat wieder ein paar schnelle Schritte. Mit ängstlichen Blicken versuchte sie, die Richtung des Waldweges zu erkennen. Sie ahnte, dass sie noch immer in der Nähe der Straße war, aber sie konnte nichts von der Stadt sehen. Keine Straße, keinen Menschen, keinen der vielen Touristen und Pilger, die in diesen Monaten die Stadt der Heiligen Stufen besuchten.
    Weiter durch den regennassen, triefenden Wald. Der Boden wurde immer glitschiger und gefährlicher. Mehr als einmal zog es
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