Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosendorn

Rosendorn

Titel: Rosendorn
Autoren: Jenna Black
Vom Netzwerk:
brachten mir nichts als ein paar abgebrochene Fingernägel ein.
    Warum, warum nur hatte ich mich entschlossen, von zu Hause wegzulaufen? Mein ganzes Leben lang hatte ich mich um meine Mutter gekümmert; was wären schon die paar Jahre mehr gewesen? Verdammt, es wären nicht einmal mehr zwei volle Jahre gewesen – nur noch dieser Sommer, mein Abschlussjahr in der Schule (ich hatte in der Mittelstufe eine Klasse übersprungen, war also jünger als meine Klassenkameraden) und dann noch der nächste Sommer. Danach wollte ich aufs College gehen, und ich war fest entschlossen, mir eines auszusuchen, das so weit wie möglich von zu Hause entfernt war – wo auch immer unser Zuhause dann sein mochte.
    Meine Augen juckten, und mein Kopf schmerzte, aber ich konnte mir unter diesen Umständen nicht vorstellen, mich einfach hinzulegen und ein kleines Nickerchen zu machen.
    Ich erwischte mich wieder dabei, wie ich die Kamee befühlte. War mein Vater tatsächlich im Gefängnis? Und wenn ja, warum? Mom hatte mir einige schlimme Geschichten über ihn erzählt, doch ich war davon überzeugt, dass mindestens die Hälfte davon gelogen war.
    Aber wenn es nun keine Lügen gewesen waren? Was, wenn er im Gefängnis war, weil er dorthin gehörte?
    Ich schob den Gedanken beiseite. Tante Grace hatte mich an der Grenze abgefangen, hatte mich erst fertiggemacht und dann auch noch eingeschlossen. Ich setzte mich auf die Bettkante und dachte über meine Möglichkeiten nach. Pech nur, dass ich im Augenblick nicht viele zu haben schien.
    Ungefähr fünfzehn Minuten später hörte ich, wie sich Schritte näherten. Und Stimmen.
    Eine von ihnen gehörte Tante Grace, die andere einem Mann – obwohl ich es eigentlich besser wusste, hoffte ich trotzdem, dass dieser Mann mein Vater war. Leider konnte ich nicht verstehen, was sie sagten, und als sie nahe genug an der Tür waren, um sie verstehen zu können, verstummten sie.
    Mit einem Mal stellten sich mir die Härchen in meinem Nacken auf. Ganz automatisch wich ich von der Tür zurück. Ich hörte das leise Murmeln von Grace, und im nächsten Moment entriegelte sich die Tür und sprang auf.
    Ich habe schon erwähnt, dass Tante Grace hochgewachsen und beeindruckend war. Sie musste mindestens einen Meter fünfundsiebzig groß sein, wahrscheinlich sogar noch größer. Doch der Mann, der hinter ihr in der Tür stand, war gigantisch. Weit über einen Meter neunzig groß – vermutlich eher noch über zwei Meter –, musste er sich nach vorn beugen, um überhaupt durch die Tür zu passen. Außerdem war er so breit, dass ich mich fragte, wie er die schmalen Treppen hinaufgekommen war. Er sah wie etwas aus, das man vermutlich erhielt, wenn man einen NBA -Star mit einer nicht-grünen Version des Unglaublichen Hulk kreuzte.
    Grace trat ins Zimmer, und zum Glück blieb ihr riesenhafter Freund zurück. Er blockierte die Tür, um mich an der Flucht zu hindern. Was ich daraufhin von der Liste meiner Möglichkeiten strich.
    Ich musste ein Zittern unterdrücken, als ich mich bemühte, mutig zu klingen. »Was fällt dir ein, mich einfach in meinem Zimmer einzuschließen?«, fragte ich mit fester Stimme. Wenigstens
versuchte
ich, meiner Stimme einen festen Klang zu verleihen. Ich fürchte, »wimmernd« traf es eher. Dann betrachtete ich Tante Grace genauer – und bemerkte den großen blauen Fleck, der auf einer Gesichtshälfte leuchtete. Ich schluckte. »Was ist passiert?«, fragte ich und vergaß für einen Moment, dass sie der Feind war.
    Sie sah grimmig aus. »Es war … unklug von meinem Bruder, dich hierherzubringen.«
    »Wie bitte?«
    »Du bist in Gefahr. Unsere Familie besitzt viel Macht und Bedeutung. Nachdem Seamus erklärt hat, du seist seine Tochter, und dich dann hierhergeholt hat, gibt es nun Interessengruppen, die in dir ein Werkzeug sehen, um ihn zu beherrschen. Jemand muss gesehen haben, wie ich dich hergebracht habe. Ich wurde angegriffen, als ich gerade die Eingangstür aufschließen wollte. Zum Glück hatte ich kurz vorher Lachlan angerufen und ihn gebeten, sich mit mir zu treffen. Er hat sie verjagt, ehe sie noch mehr Schaden anrichten konnten. Aber das beweist, dass ich recht hatte: Du bist hier nicht sicher.«
    »Ich sag dir was«, entgegnete ich. »Warum lässt du mich nicht einfach zurück nach London fahren? Ich kann mir dort ein Hotelzimmer nehmen und warten, bis mein Dad aus dem … äh, bis er wieder Zeit hat. So mache ich dir keinen Ärger und …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher