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Rosendorn

Rosendorn

Titel: Rosendorn
Autoren: Jenna Black
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dich falsch eingeschätzt.«
    Ich zuckte zusammen. Dad war offensichtlich Profi auf dem elterlichen Gebiet, dem Sprössling ein schlechtes Gewissen zu machen. Er war darin sogar so gut, dass ich das Gefühl hatte, mich noch mehr rechtfertigen zu müssen.
    »Ich habe es nicht nur getan, weil ich aus Avalon verschwinden wollte«, sagte ich. »Mom hat mir versprochen, in eine Entzugsklinik zu gehen, wenn ich mit ihr nach Hause zurückkehre.« Ich starrte auf meine Hände, während ich nervös an der Decke zupfte. »Du weißt nicht, wie es war, dabei zusehen zu müssen, wie sie sich selbst zerstört. Und bisher war sie nicht in der Lage zuzugeben, dass sie ein Problem hat – ganz zu schweigen davon, sich Hilfe zu suchen. Ich habe die Möglichkeit gesehen, wenigstens zu versuchen, sie vor sich selbst zu retten, und ich konnte diese Chance doch nicht ungenutzt verstreichen lassen …«
    Dad setzte sich auf die Bettkante. Ich wollte ihm nicht ins Gesicht blicken, wollte nicht die Wut und den Schmerz und – was vielleicht noch schlimmer war – die Enttäuschung in seinen Augen sehen. Er streckte den Arm aus und legte eine Hand auf meine beiden Hände, doch ich sah ihn noch immer nicht an.
    »Dana, mein Kind, ich bin kein junger Mann mehr. Ich lebe seit Jahrhunderten in Avalon und unter Menschen. Und wenn es eines gibt, was ich gelernt habe, dann dass man sie nicht vor ihrem selbstzerstörerischen Verhalten retten kann, solange sie nicht gerettet werden wollen. Ich kann verstehen, warum es dir wie eine gute Idee erschien, deine Mutter zu erpressen, damit sie eine Entziehungskur macht. Aber selbst wenn du es ohne Komplikationen geschafft hättest und sie ihr Versprechen gehalten hätte, wäre es nicht gutgegangen. Du kannst sie nicht
zwingen,
trocken zu werden – jedenfalls nicht für einen längeren Zeitraum. Vielleicht wäre sie ein paar Wochen oder sogar Monate nüchtern geblieben, doch über kurz oder lang hätte sie wieder angefangen zu trinken.«
    Ich zog meine Hände unter seiner Hand hervor. »Das kannst du doch gar nicht wissen! Wenn sie aufgehört hätte zu trinken, dann hätte sie all das wahrgenommen, was ihr bisher entgangen ist, weil sie dauernd betrunken war. Und das wäre ein Grund für sie gewesen, nüchtern zu bleiben. Sie ist einfach nur die meiste Zeit so weggetreten, dass sie nicht merkt, welche Konsequenzen ihr Verhalten hat.«
    Dad seufzte. »Ich glaube, dass du tief in deinem Herzen weißt, dass ich recht habe. Du hast mich aus einem bestimmten Grund gesucht und gefunden – und der Grund war nicht, dass du voller Hoffnung gewesen wärst, dass deine Mutter gesund wird.«
    Jetzt war ich es, die wütend war, und ich funkelte ihn aufgebracht an. »Versuch nicht, mir zu sagen, was ich denke und fühle.«
    Der Ausdruck freundlicher Herablassung auf seinem Gesicht machte mich nur noch wütender, aber er ließ mir nicht die Möglichkeit, ihm zu sagen, was ich von ihm hielt. »Ich vermute, wir müssen uns darauf einigen, dass wir uns in diesem Punkt uneinig sind«, stellte er fest.
    Während Dad sich etwas aufrechter hinsetzte, verschwand der herablassende Ausdruck aus seinem Gesicht, und er machte so mit seinen Worten und seiner Körpersprache klar, dass das Thema für ihn beendet war.
    »Laut der Schwester kommt dein Arzt innerhalb der nächsten Stunde vorbei, und dann kannst du gehen. Ich habe am Mittag ein Meeting. Finn wird dich nach Hause bringen und auf dich aufpassen, bis ich fertig bin. Wenn ich nach Hause komme, bringen wir dich an einen sicheren Ort.«
    Ah ja. Der gefürchtete »sichere Ort«. Auch bekannt als Gefängniszelle. Ich hütete mich davor, mich mit ihm darüber zu streiten – denn da würde ich nur verlieren –, doch ich verschränkte zumindest vielsagend die Arme vor der Brust und setzte meine störrischste Miene auf.
    Dad verzog einen Mundwinkel zu einem winzigen Lächeln. »Für dein dummes Benehmen von gestern hast du die gesamte kommende Woche Hausarrest. Du bleibst die ganze Zeit in dem sicheren Unterschlupf, und wenn du dich eingesperrt fühlst, dann … ist das nicht unzutreffend.«
    Ich starrte ihn an. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie Hausarrest bekommen. Verdammt, das wirkte beinahe
normal.
Auch wenn seine Vorstellung von Hausarrest natürlich viel strenger klang als bei einem Menschen.
    »Wenn die Woche um ist«, fuhr Dad fort, »bekommst du so viele Freiheiten, wie wir für sicher erachten.«
    »Und wen genau meinst du mit ›wir‹?«
    »Ich meine
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