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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache
Autoren: Kirsten Riedt
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besessen. Und kein echtes Verständnis gehabt für das Gegeneinander der Mächte in Westfalen. »Nein. Aber bevor ich einen Schützen von unserer Mauer abziehe und dort zu Hülfe schicke, will ich sicher sein, dass wir ihn nicht selber brauchen. Ihr alle wisst, dass die Mauer an der Neustadt wieder gesackt ist. Wollen wir uns auf das Vorwerk allein verlassen und unseren Graben, der jetzt im Sommer niedrig Wasser führt?«
    »Eine neue Schatzung für alle nur bei gerecht geteilten Lasten. Diesmal zahlt Ihr Kaufleute einen gerechten Anteil an der Steuer.«
    Leent musste sich beim Aufstützen umdrehen. Am anderen Ende der Tafel fuhr sich der Goldschmied Piet Husbeek mit beiden Händen durchs gelbe Haar. Dann griff er mit der Hand unter den Tisch, sodass sich seine Ellenbogen im blauen Wams nach außen drehten. Die Hand erschien wieder, warf einen ledernen Beutel. Der flog genau auf den Platz zu, an dem Leent stand, traf den Weinbecher, der gegen die Weinkanne schoss.
    »Wenn Ihr ihn umdreht, Leent, werdet Ihr nur ein paar Viertelpfennige drin finden. Wir haben nichts mehr, was Ihr Kaufleute aus uns pressen könnt. Fehde ist im Land, Ihr weint um Eure Güter, weil Euch ein paar Ochsen von der Weide getrieben werden. Als ob uns der Graf Hoya nicht das ganze Vieh von der Laischaft gestohlen hätte. Ihr vergesst schnell, Simon Leent. Die Goldschmiede werden auf unser Vermögen keine ungerecht erhobene Schatzung zahlen. Arbeitet Ihr Kaufleute erst einmal Eure Pflichttage bei Wacht und Mauerwerk ab. Wir haben genug Steuern gezahlt.«
    Der Erste Bürgermeister lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Ihr mögt der beste Goldschmied der Stadt sein. Eure Fibeln mögen bis nach Lübeck verkauft werden, Husbeek. Aber was wisst Ihr davon, wie Ritter und Fürsten uns auf den Handelswegen zusetzen? Eure Käufer kommen in die Stadt. Wir müssen uns die Käufer suchen. Glaubt bloß nicht, dass es Euch besser gehen würde, erränge der Bischof wieder das Sagen in der Stadt.«
    Am anderen Ende stützte Knuf sich mit beiden Fäusten auf den Ratstisch. »Machen wir’s wie andere Hanseorte. Lassen wir die Kirche und den Adel endlich für den Schutz unserer Mauern zahlen. Was die Goldschmiede sagen, gilt für alle Gildemeister. Keine ungerechte Schatzung mehr.«
    Die Bürgermeister sahen sich an, die Domherren im Rat wechselten Blicke untereinander. Leent wusste, was sie alle dachten. Die Handwerker taten sich heimlich zusammen, sprachen sich ab. Leents Unterarm brannte, kehrte seine Jugendzeit zurück? Es war gewiss kein Zufall, dass Husbeek am einen und Knuf am anderen Ende des Tisches stand und dazwischen die reichen Kaufherren saßen. Leent blickte auf das weiße Leinen auf dem Tisch, feines, gestempeltes Leinen erster Wahl, Osnabrücker Leinen. Er griff zum Lederbeutel, den Husbeek geworfen hatte, zog am Bändchen. Schweigen fiel über den Saal.
    Zwischen den Fingern spürte Leent ein paar Münzen im Leder. »Seid vernünftig. Eure Freiheit ist unsere Freiheit. Verspielen wir sie nicht. Wir brauchen eine starke Wehr. Mögen die Kaufleute zu jeder Münze, die die Handwerker in die Schatzungstruhe der Stadt legen, zwei hinzutun.«
    Terbolds Hals wurde lang wie beim Rehbock. Er streckte den Finger aus und zeigte auf den Beutel. »Seid Ihr verrückt, Leent? Ihr könnt das ja gerne machen. Aber ich zahle nicht mehr als die Handwerksleute.« Der schmale Kopf zuckte einmal zwischen Husbeek und Knuf hin und her.
    Es polterte unter dem Boden zu ihren Füßen. Ausgerechnet jetzt, wo er die Schatzung durch den Rat bringen wollte. Im Erdgeschoss riefen Stimmen durcheinander. Leent legte den Lederbeutel neben seinen Becher. Die Ratsherren drehten die Hälse zur Tür.
    Husbeek kam die drei Schritt heran. Seine Wangen glänzten hitzig, als hätte er am Feuer seiner Schmiede gestanden. Die blauen Augen blickten kühl, der linke Mundwinkel zuckte. Er langte über den Tisch zum Lederbeutel. »Den braucht Ihr wohl nicht mehr.«
    Der Knecht, der an der Ratstür Wache hielt, schrie etwas. Dann flog die Tür auf.
    »Wer wagt es …?« Doch die Stimme des Ersten Bürgermeisters erstarb. Kinker, der Stadtscherge, schwankte, auf den Knecht gestützt, herein. Er brachte kaum die Worte heraus. »Der Leggemeister … der Reker liegt erschlagen … vorm Augustinerkloster.«
    Leent starrte den Büttel an, dessen Wangen so fahl wie Zinn waren. Der kluge Tomas Reker … der hätte eben für die Schatzung gestimmt.

3.
    »Zermalmt ist seine Kehle …«
    »… nein, das
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