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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache
Autoren: Kirsten Riedt
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wollte er selbst noch aushandeln. Aber er konnte nicht einfach aufstehen und den Rat verlassen. Leent hob die Hand. »Die Lübecker haben zu viel holländisches Tuch in den Ostseestädten auf dem Markt feil gesehen, das nicht über die Hanse verschifft wurde.«
    »Die Lübecker waren doch selbst schuld. Ohne den Kaperkrieg hätte der Dänenkönig den Holländern nicht das Land geöffnet. Nun stapeln die in Kopenhagen und segeln bis nach Nowgorod«, sagte der Bürgermeister.
    Leent sah das weiße Unterleinen in den Seitenschlitzen von dessen Überwurf blitzen, so weit breitete der Bürgermeister die Arme über dem Ratstisch aus. Beinahe wäre dabei die Weinkanne umgestürzt. Leent wollte eins draufsetzen. »Der dänische Handel wird sich nicht durchsetzen, es ist ein Umweg. Die Lübecker regen sich umsonst auf.«
    Die Ratsherren liefen vor den Wandbehängen im Ratssaal durcheinander.
    Die grüne Mütze des Kaufmanns Terbold saß ein wenig schief auf dessen Haupt. »Simon Leent, ich versteh Euch nicht. Ihr wart selbst oft genug in Köln, ja, bis zu den Welschen nach Paris seid Ihr gereist. Seht Ihr das nicht? Die Dänen bedrohen Lübeck wie uns der von Köln jetzt beanspruchte Stapelzwang für Tuche. Was ist, wenn es den Kölnern gelingt, den durchzusetzen? Dass ganz Flandern und Brabant in Brügge ihr Leinen und Tuch stapeln mussten, hat uns bisher nicht weiter geschadet. Denn das brabanter Tuch macht über Brügge keinen Umweg zu uns. Das holländische Tuch ist jedoch über die Ijssel um Wochen schneller hier in Osnabrück, als wenn es einen Umweg nach Köln nehmen müsste.« Eine Strähne blondes Haar lugte unter dem rot bestickten Rand der Mütze hervor. Terbold reckte das Kinn und zupfte die Bartspitze gerade.
    Leent dachte jedes Mal an einen Rehbock, so aufrecht und gerad saß der dünne Leinenhändler wie das Wild, wenn es im Morgentau bei der Äsung Wache hielt. Aber es war nicht nur das. Terbold drehte sich ebenso schnell wie ein Reh. Jetzt war er schon drei Sitze weiter und stand bei den Ratsherren aus der Haselaischaft. Leent griff zum Zinnbecher.
    Terbold ereiferte sich. »Was redet Ihr da? Wenn aber auch die Holländer alles Tuch nach Brügge bringen müssten, kämen sie nicht mehr zu uns nach Osnabrück. Wer kauft uns dann unser Leinen ab und schafft es weiter nach England? Die Kölner nicht und die Bremer nicht. Auch wir haben unser Stapelrecht auf Leinen zu verteidigen. Lübeck braucht unseren Beistand.«
    Wenigstens sparte der Rat nicht am Wein, der Corveyer Tropfen war süß. Ein Stuhl scharrte auf dem Bohlenboden am Ende des Ratstischs. Die Gildeleute regten sich vor der Täfelung. Knuf würde reden. Der Prüfmeister streifte den Vorhang vor den Fenstern zum Markt. Im Gegenlicht stand er wie geschnitzt aus Ebenholz, ganz schwarz schien Leent die kräftige Gestalt. In Stein hatte er solche Leiber vom Ruß überzogen in flandrischen Kirchen Türpfosten halten sehen.
    Knuf verschränkte die Arme und sprach mit einer Stimme, die den Dom hätte füllen können. »Nichts tun und Geld raffen, Ihr denkt allzeit nur an Eure Truhe, Terbold. Nein, meine Herren, halten wir uns lieber aus dem Hansegezänk heraus. Oder wollt Ihr nun endlich auch den Soestern Hansebrüdern beistehen, die ihre Freiheit als Stadtbürger verteidigen? Bisher hat Osnabrück sich da ja fein herausgehalten.« Knuf schlug mit der flachen Linken auf seine rechte Faust. »Die Stapelrechte im fernen Lübeck, so etwas schert Euch, Kaufmann Terbold. Aber nicht, dass die Landsknechte der Kirchenfürsten bald auch unsere Mauern belagern, wenn es unserem Bischof im Bunde mit dem Kölner Erzbischof gelingt, die Soester Hansebrüder zu besiegen.«
    Hatte Knuf vergessen, dass die Handwerker gut an den Kaufleuten verdienten, die weit nach Osten fuhren? Wieder vermengten die Ratsherren alles mit allem. Leent stieß der süße Wein auf. In seiner Jugend hatte der Rat nicht länger als eine Frühmesse gebraucht, um zu einem Schluss zu kommen. Zu der Zeit war die Zahl der Ratsherren noch beschränkt gewesen. Doch dann hatte der Streit in der Stadt geschwelt wie ein böses Feuer im Torf. Leent spürte wieder das Brennen auf seinem Unterarm bis hinauf zur Achsel. Damals, als das rasende Volk des Nachts ihr Kaufmannshaus angesteckt hatte, hatte sein Hemd Feuer gefangen. Leent hatte die Feuersbrunst überlebt, das Feuer war schon fast gelöscht, das Schlimmste von den Vorräten abgewendet, da hatte ein berstender Balken den Vater erschlagen.
    Von da an hatte
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