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Roland Hassel - 07 - Wiedergänger

Roland Hassel - 07 - Wiedergänger

Titel: Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
Autoren: Olov Svedelid
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war immer noch warm, und die Frauen gingen in kurzärmeligen Blusen; für den Kenner ein schöner Anblick. Wir saßen an der Reling auf einer Bank und besahen uns die Gegend.
    Elin war deutlich müde und würde bald einschlafen.
    War es der brünette Mann, der Zeitung las? Komisch, daß er nie die Seiten umblätterte. Oder die beiden Frauen in den Dreißigern, die sich ein Stück entfernt gegenübersaßen? Frauen haben sich doch immer eine Menge zu erzählen. Warum schwiegen diese beiden die ganze Zeit? Der gebeugte Alte, der sich auf den Stock stützte – war er wirklich so alt, wie er scheinen wollte? Seine Hände wirkten kräftig, der Körper elastisch.
    Die Fähre legte bei Skeppsbron an, und wir spazierten zur U-Bahn.
    Elin wollte getragen werden, und das kurze Stück würde ich gut schaffen. Um die Augen in meinem Rücken kümmerte ich mich jetzt nicht mehr. Ich hatte Elin bei mir, und nur das zählte.
    Die Drottninggatan wimmelte von Menschen, die den milden Frühlingsabend genossen. Als ich Kind war, war ein schwedischer Sonntag ein schwedischer Sonntag, unabhängig vom Wetter. Jetzt verwandelte sich Schweden in Südeuropa, wenn die warme Jahreszeit kam. Die Straßen wurden zu Treffpunkten, und die Drottninggatan war am beliebtesten. Die Leute ließen sich treiben, blieben stehen und unterhielten sich, trafen Bekannte, machten Pläne, waren zusammen. Der nächste Tag war ein Montag, aber dazwischen lag die Unendlichkeit. Die Jungen lebten mehr als je zuvor im Heute, und es gab Gründe, neidisch auf sie zu sein.
    Es war sinnlos zu versuchen, meinen Verfolger zu entdecken. Bald würde ich zu Hause sein und mich einschließen können, und durch die Häuserwände können die Leute nur in Science-fiction-Büchern sehen. Virena gab am Tor den Schlüsselcode ein, und wir gingen durch die Einfahrt über den Hof zu unserem Aufgang. Das Haus war jetzt vollständig renoviert, und die Unternehmen hatten einen Hof gefordert und bekommen, der wie eine Piazza aussah.
    Die Beleuchtung im Treppenhaus war defekt, aber das Licht der Flurfenster war hell genug. Virena schloß auf, und wir traten ein. Elin war eingeschlafen, wachte jetzt aber wieder auf, gähnte und ließ sich ohne Protest ausziehen. Ich holte die gefrorenen Beefsteaks aus dem Kühlfach und setzte den Tiegel auf. Nun noch ein bißchen Gemüse, ja, und eine halbe Flasche Rotwein fand sich tatsächlich noch im berühmten Hasselschen Weinkeller, ein 1918er Bordeaux, staubig und voller Spinnweben, den ich für ein Wahnsinnsgeld auf einer Auktion in London gekauft hatte. Aber so bin ich eben. Wenn es um die Gaumenfreuden geht, ist mir nichts zu teuer.
    »Ich weiß nicht …«, murmelte Virena.
    »Was weißt du nicht?«
    »Also, irgend etwas stimmt hier nicht. Riecht es nicht nach Tabak?«
    Tatsächlich, sie hatte recht. Es roch nach Tabak. Ich öffnete das Fenster und sagte: »Die Lüfter funktionieren manchmal genau verkehrt herum und saugen Luft an.«
    Ich war nicht ganz sicher, ob ich selber glaubte, was ich da sagte, aber es klang irgendwie überzeugend. Virena legte die Beefsteaks in die heiße Pfanne. Ich setzte mich auf das Sofa und nahm die TV-Fernbedienung zur Hand. Mein Blick fiel auf einen dunklen Schatten im Teppich. Er glich einem Fußabdruck. Ich befühlte ihn. Ein bißchen Erde. Hatte ich den Schmutz hereingetragen? Aber ich zog mir doch immer schon an der Wohnungstür Pantoffeln an.
    »Hol deinen Schlafanzug«, ermahnte Virena Elin.
    Es war das gewöhnliche Abendritual. Elin lief in ihr kleines Zimmer und kam mit den Pyjamateilen wieder. Im Fernsehen lief ein hysterisches Jugendprogramm, wo ein paar halbbekleidete Gestalten in einer Kiste hin- und hersprangen. Bestimmt war die Musik genauso nervend, aber die hatte ich abgedreht. Man soll seine Trommelfelle schonen, so gut es geht.
    »Alter Faulpelz«, sagte Virena.
    »Ja«, stimmte ich ihr zu, »aber damit ist es bald vorbei.«
    Virena bat mich, das Abendessen zu übernehmen, und das schien mir eine lösbare Aufgabe zu sein. Dann hielt sie Elins Pyjamajacke hoch und zeigte mir ein paar rote Flecke.
    »Nun hat sie schon wieder Nasenbluten. Das zweite Mal in diesem Monat!«
    »Das geht vorbei«, meinte ich. »Das liegt in der Familie. Meine Nase sprudelte wie ein Springbrunnen, als ich klein war.«
    Virena holte einen sauberen Schlafanzug für Elin und ging ins Bad, um Elin beim Waschen und Zähneputzen zu beaufsichtigen.
    Elin kicherte nicht wie sonst, sie war wohl zu müde. Ich widmete mich den
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