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Roland Hassel - 07 - Wiedergänger

Roland Hassel - 07 - Wiedergänger

Titel: Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
Autoren: Olov Svedelid
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benutzen? Seinerzeit war es mir vorgekommen, als müßte ich bis Harmageddon lauschen. Als ich den Zeugen endlich los war, hatte er mir klargemacht, daß ich im letzten Gefecht auf der Seite des Bösen stehen würde, und ich versprach ihm, dann nur mit einem Katapult zu kämpfen.
    »Setz dich endlich hin!« zischte ich.
    »Was?«
    »Wenn du dich über Gott oder wen auch immer ausquatschen willst, dann tu das woanders.«
    Karsten seufzte tief und ließ sich wieder auf das Sofa fallen.
    Mit der Handfläche wischte er sich die Stirn trocken, die aber sofort wieder von Schweißperlen bedeckt war. Er öffnete einen weiteren Hemdknopf. Bald würde er mir mit nacktem Oberkörper gegenübersitzen. Das war keine ermunternde Aussicht.
    Karsten Lund war ungefähr fünfundfünfzig Jahre alt und verbarg diese Tatsache nicht. Das aufgedunsene Gesicht zeigte, daß er schnell zur Flasche griff, wenn er Kummer hatte, aber wer tat das nicht? Er hatte ein Bierbäuchlein unter dem leger sitzenden Jackett, aber wer hatte das nicht? Seine buschigen Augenbrauen waren über der Nasenwurzel zusammengewachsen und hätten seinem Gesicht eigentlich ein gebieterisches Aussehen verleihen müssen, aber die wässrigen Augen mit den dicken Tränensäcken ließen ihn mehr wie einen mitleidigen Betreuer von Heidenkindern erscheinen.
    Die Nase war eine Kombination aus Sattel und Kartoffel und der Mund von mauliger Schlaffheit. Er trug seine billigen Sachen bereits so lange, daß sie jede Paßform verloren hatten, ohne jedoch richtig zerlumpt zu wirken. Und er war auch, wie er aussah, ein Mann, der sich als journalistischer Kleinunternehmer durchs Leben wurstelte, ohne Sicherheitsnetz.
    »Nun ja, Karsten«, sprach ich, »es ist mir wie immer ein ungetrübtes Vergnügen, dich zu sehen, aber verzeih mir, wenn ich sage, daß sogar Rapport mehr Abwechslung bietet.«
    Er zuckte zusammen.
    »Rapport?«
    »Ja. Eine bekannte Nachrichtensendung im Fernsehen.«
    »Haben die etwas gemeldet?«
    »Die pflegen viel zu melden. Man sieht ein Standbild vom Gebäude der Vereinten Nationen, und dann redet einer über die Krisen.«
    »Über uns?«
    »Wer ist uns?«
    »Wurde … mein Name genannt?«
    »Wenn du so willst, ja, gestern. Aber die meinten wohl unsere schöne alte Universitätsstadt unten im Süden.«
    Kein Lachen, nicht einmal ein Lächeln, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Irgend etwas muß man ja von sich geben, um die Konversation in Gang zu halten.
    »Es ist abscheulich«, murmelte er. »Schrecklich.«
    »Erzähl mir mehr, aber am besten heute noch.«
    »Schlimmer als schlimm.«
    Genaueres brachte er nicht heraus. Er versank in Schweigen und inneren Betrachtungen, ab und zu schüttelte es ihn. Ich seufzte, um mir die Zeit zu vertreiben.
    »Du, Lund«, sagte ich, »das hier erinnert mich stark an damals, als du diese aufrüttelnden Informationen über den Metzgerverband hattest. Da sollte auch die Welt unter- und alles zum Teufel gehen, und wenn ich mich recht entsinne, hast du damals auch behauptet, es wäre schlimmer als schlimm. Was ist denn daraus geworden?«
    Vielleicht hörte er mir doch zu, denn er brummte: »Das hier ist etwas anderes.«
    »Allen bist du auf die Hacken getreten. Nichts hattest du überprüft. Was ist denn eigentlich aus der Zeitung geworden, die deine Artikel in Umlauf gebracht hatte? Ist sie in der Versenkung verschwunden oder konnte sie sich nach der saftigen Schadensklage noch einmal erholen?«
    Er glotzte mich aus wässrigen Augen an und wiederholte heiser: »Das hier ist etwas anderes.«
    »So so. Davon mußt du mich aber erst einmal überzeugen. Ich will dir noch verraten, daß du in Polizeikreisen unter dem Namen Münchhausen bekannt bist.«
    Karsten Lunds Weg durch die Presse war von Prozessen gesäumt. Vor vielen Jahren hatte er einige feste Anstellungen gehabt, aber die Inhaber der Zeitungen hatten ihn schnell wieder hinausgeworfen, in einigen Fällen im wahrsten Sinne des Wortes. Immer war er gerade dabei gewesen, den großen Coup zu landen, immer war er es, der die großen Enthüllungen bringen würde. Wenn er mal einen Strafzettel wegen Falschparkens erhielt, konnte er eine Weltrevolution daraus machen, einen politischen Skandal mit Bestechungsgeldern und Schweizer Nummernkonten. Er schaffte es nie. Traum und Wirklichkeit. Wahrheit und Wunschdenken sauber zu trennen. Er entwickelte eine Phantasie in der Art kleiner Geschäftsleute, die beschließen, Kartoffeln unter der Bezeichnung »Heimische Feldfrüchte« direkt
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