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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Autoren: Patricia Highsmith
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weiter, weil Héloïse im Englischen nicht so sattelfest war. Reeves konnte kaum Französisch, hielt sich aber ganz gut, zumal sie nur über Belanglosigkeiten redeten: über den Garten, den milden Winter, der schon vorbei schien, weil hier bereits die Osterglocken blühten, und das Anfang März. Tom schenkte Héloïse aus einem der Fläschchen vom Wagen Champagner ein.
    »Und wie ist’s in Hambourg ?« Héloïse versuchte es noch einmal auf englisch. Ihre Augen funkelten belustigt, [15]  als sich Reeves auf französisch mit einer ganz konventionellen Antwort abmühte.
    Auch in Hamburg sei es nicht allzu kalt. Außerdem habe er ebenfalls einen Garten, fügte Reeves hinzu, denn seine petite maison liege an der Alster, also am Wasser, an einer Art Bucht, genauer gesagt. Viele Leute besäßen dort Häuser mit Gärten am Wasser und könnten sich also auch ein Segelboot halten, wenn sie das wollten.
    Héloïse mochte Reeves Minot nicht und mißtraute ihm. Für sie war er einer der Leute, um die Tom besser einen Bogen machen sollte. Zufrieden dachte Tom, daß er heute abend ehrlich zu ihr sagen konnte, er habe jede Beteiligung an dem Plan abgelehnt, den Reeves vorgeschlagen hatte. Héloïse sorgte sich immer, was ihr Vater wohl sagen würde. Jacques Plisson war ein millionenschwerer Arzneimittelfabrikant, dazu Gaullist und die Verkörperung französischer Rechtschaffenheit. Und er hatte Tom nie gemocht. »Mein Vater sieht sich das nicht mehr lange an!« warnte sie Tom oft, aber ihr lag mehr an seiner Sicherheit als an dem Zuschuß, den ihr der Vater zahlte und, so sagte sie, nicht selten zu streichen drohte. Einmal in der Woche, gewöhnlich freitags, aß sie mit ihren Eltern zu Mittag, bei ihnen zu Hause in Chantilly. Sollte ihr Vater Héloïse je tatsächlich das Geld streichen, würden sie Belle Ombre kaum halten können. Das war klar.
    Zum Abendessen gab es médaillons de bœuf, dazu kalte Artischocken mit Madame Annettes selbstkreierter Sauce als Vorspeise. Héloïse trug nun ein schlichtes, blaßblaues Kleid. Sie schien schon zu spüren, daß Reeves nicht bekommen hatte, was er wollte. Bevor sie zu Bett gingen, fragte [16]  Tom seinen Gast, ob er alles habe, was er brauche, und wann er Tee oder Kaffee gebracht haben wolle. Kaffee, um acht, antwortete Reeves. Er hatte das Gästezimmer oben links im Haus und damit das Bad, das sonst Héloïse benutzte. Madame Annette hatte aber ihre Zahnbürste schon in Toms Badezimmer gebracht, das von seinem Zimmer abging.
    »Ich bin froh, daß er morgen abreist. Warum ist er so angespannt?« fragte Héloïse, die sich die Zähne putzte.
    »Das ist er immer.« Tom drehte das Wasser ab, trat aus der Dusche und hüllte sich sofort in ein großes, gelbes Handtuch. »Vielleicht ist er deshalb so dünn.« Sie redeten englisch, denn mit Tom hatte Héloïse keine Hemmungen, seine Sprache zu sprechen.
    »Wo hast du ihn kennengelernt?«
    Er wußte es nicht mehr. Und wann? Vor fünf, sechs Jahren vielleicht. In Rom, oder? Reeves war ein Freund von irgendwem gewesen – nur von wem? Tom war zu müde, weiter nachzudenken, und es war auch nicht wichtig. Er hatte fünf, sechs solcher Bekannten und hätte wohl bei keinem sagen können, wo er ihm erstmals begegnet war.
    »Was will er von dir?«
    Tom legte seiner Frau den Arm um die Taille, so daß ihr weites Nachthemd eng an den Körper gepreßt wurde, und drückte ihr einen Kuß auf die kühle Wange. »Etwas Unmögliches. Ich habe nein gesagt, wie du gemerkt hast. Er ist enttäuscht.«
    In dieser Nacht schrie eine einsame Eule irgendwo in dem Kiefernwäldchen hinter Belle Ombre. Tom lag im Bett, den linken Arm unter Héloïses Nacken, und dachte nach. [17]  Sie schlief ein, atmete langsam und sachte. Tom seufzte und grübelte weiter. Aber er dachte nicht logisch, nicht konstruktiv. Der zweite Kaffee hielt ihn hellwach. Eine Party in Fontainebleau fiel ihm ein, vor einem Monat, eine zwanglose Geburtstagsfeier für eine Madame – wie hieß sie noch gleich? Tom suchte eigentlich den Namen ihres Mannes, einen englischen Namen, vielleicht fiel er ihm gleich wieder ein. Der Mann, sein Gastgeber, war Anfang Dreißig, das Paar hatte einen kleinen Sohn. Sie wohnten in einer Nebenstraße von Fontainebleau, in einem schlichten, zweistökkigen Reihenhaus mit einem kleinen Garten dahinter. Der Mann war Bilderrahmer, deshalb hatte Pierre Gauthier, der Besitzer eines Ladens für Künstlerbedarf in der Rue Grande, wo Tom seine Farben und Pinsel kaufte, ihn auf
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