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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Autoren: Patricia Highsmith
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hatte, ohne daß deren Überbringer etwas ahnten. »Was glauben Sie, wie viele dieser Räuberpistolen ich mir noch leisten kann? [12]  Ich habe einen Ruf zu wahren, verstehen Sie?« Fast hätte er bei diesen Worten gelächelt, doch zugleich schlug sein Herz höher, denn das Gefühl war echt. Er richtete sich auf, dachte an das schöne Haus, in dem er wohnte, an das sichere Leben, das er jetzt führte, ganze sechs Monate nach der Derwatt-Episode – einer Beinahkatastrophe, der er heil entronnen war, mit nichts als dem Hauch eines Verdachts. Das Eis war dünn, ja, doch noch war er nicht eingebrochen. Tom hatte den englischen Inspector Webster und ein paar gerichtsmedizinische Fachleute in die Wälder um Salzburg begleitet, wo er die Leiche eines Mannes, angeblich des Malers Derwatt, verbrannt hatte. Warum er den Schädel zertrümmert habe, hatte die Polizei gefragt. Wenn Tom daran dachte, erschauerte er immer noch; er hatte es getan, um die oberen Zähne herausschlagen und im Wald verstreuen zu können. Der Unterkiefer hatte sich leicht vom Schädel lösen lassen. Tom hatte ihn in einiger Entfernung vergraben. Die Zähne des Oberkiefers dagegen… Die Männer von der Gerichtsmedizin hatten einige gefunden, aber kein Zahnarzt in London besaß Unterlagen zu Derwatts Gebiß, weil der Maler, so glaubte man, die letzten sechs Jahre in Mexiko gelebt hatte. »Das gehörte für mich zu der Verbrennung dazu, zu der Vorstellung, ihn zu Asche werden zu lassen«, hatte Tom erwidert. Der eingeäscherte Körper war Bernards Leiche gewesen. Ja, heute noch konnte er erschauern bei der Erinnerung an jenen gefährlichen Augenblick wie auch an das Grauen jener Tat, als er den verkohlten Schädel mit einem großen Stein zertrümmerte. Doch wenigstens hatte er Bernard nicht getötet. Bernard Tufts hatte Selbstmord begangen.
    [13]  Tom sagte: »Sie werden doch sicher unter all Ihren Bekannten jemanden finden, der das erledigen kann.«
    »Ja, und das wäre dann die Verbindung – deutlicher als zu Ihnen. Leider sind die Leute, die ich kenne, sozusagen keine unbeschriebenen Blätter.« Reeves klang traurig, wie ein geprügelter Hund. »Sie dagegen kennen eine Menge angesehener Leute, Tom, Männer mit reiner Weste, die über jeden Verdacht erhaben sind.«
    Tom lachte. »Und wie wollen Sie solche Leute für so etwas gewinnen? Manchmal denke ich, Reeves, Sie sind verrückt.«
    »Nein, Sie wissen, was ich meine. Jemanden, der es für Geld macht, nur für Geld. Das muß kein Profi sein. Wir bereiten alles vor. Es wäre wie… wie ein Anschlag, in aller Öffentlichkeit. Wir suchen jemanden, der so aussieht, daß man ihm so etwas nie und nimmer zutraut, wenn man ihn verhört.«
    Madame Annette schob den Barwagen herein. Der Eiskübel schimmerte silbern, die Räder des Wagens quietschten leise. Seit Wochen hatte Tom sie schon ölen wollen. Er hätte das alberne Hin und Her mit Reeves fortsetzen können, weil Madame Annette, Gott segne sie, kein Englisch verstand. Aber das Thema ödete ihn an, und er freute sich über die Unterbrechung. Madame Annette, eine Frau in den Sechzigern, kam aus der Normandie, hatte ein angenehmes Gesicht, einen kräftigen Körper und war als Haushälterin ein wahres Juwel. Tom konnte sich Belle Ombre ohne sie nicht mehr vorstellen.
    Héloïse kam aus dem Garten herein, und Reeves stand auf. Sie trug weit ausgestellte Latzhosen mit rosa- und [14]  dunkelroten Streifen. LEVI stand senkrecht auf jedem Streifen. Ihr langes, blondes Haar trug sie offen. Es schimmerte im Feuerschein. So rein, dachte Tom, verglichen mit dem, worüber sie gerade gesprochen hatten. Doch ihr Haar glänzte golden, und er mußte an Geld denken. Eigentlich brauchte er nicht noch mehr Geld, selbst wenn sie bald keine Derwatts mehr verkaufen konnten, weil es keine Bilder mehr gab. Tom bekam Prozente von den Verkäufen, war aber auch an Derwatt Limited beteiligt, einer Firma für Künstlerbedarf, und die würde weiterlaufen. Dann war da noch das bescheidene, langsam und stetig wachsende Einkommen aus den Greenleaf-Aktien, die er geerbt hatte – und zwar aufgrund eines Testaments, das er eigenhändig gefälscht hatte. Nicht zu vergessen der großzügige Zuschuß, den sein Schwiegervater Héloïse bewilligte. Bloß keine Gier. Tom war Mord zuwider, wenn er nicht unbedingt notwendig war.
    »Haben Sie sich nett unterhalten?« fragte Héloïse auf englisch. Anmutig sank sie in das gelbe Sofa.
    »Ja, danke«, sagte Reeves.
    Sie sprachen auf französisch
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