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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Autoren: Patricia Highsmith
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die Party mitgeschleppt. »Ach, kommen Sie doch, Monsieur Riiepley!« hatte Gauthier gesagt. »Und bringen Sie Ihre Frau mit! Er will viele Leute um sich haben, er ist ein bißchen deprimiert… Außerdem macht er Rahmen, also könnten Sie bei ihm mal Bilder in Auftrag geben.«
    Tom mußte blinzeln und nahm im Dunkeln den Kopf zurück, damit seine Wimpern nicht Héloïses Schulter streiften. Er erinnerte sich an einen großen, blonden Engländer, aber nur ungern und widerstrebend, weil dieser Mann in der Küche, in diesem düsteren Raum mit dem abgetretenen Linoleumfußboden und der rauchgeschwärzten Stuckimitatdecke aus dem neunzehnten Jahrhundert, ihm etwas Unangenehmes gesagt hatte. Der Engländer – Trewbridge? Tewksbury? – hatte fast abfällig zu ihm bemerkt: »Ach ja, von Ihnen hab ich schon gehört«, als Tom sich vorstellte: »Tom Ripley, ich wohne in Villeperce« und [18]  ihn gerade fragen wollte, wie lange er schon in Fontainebleau lebte, da ein Engländer mit einer französischen Frau doch vielleicht gern die Bekanntschaft eines Amerikaners mit einer französischen Frau machen würde, der nicht weit von ihm wohnte. Er hatte sich vorgewagt und war rüde abgewiesen worden. Trevanny, hieß der Mann nicht so? Blondes, glattes Haar, sah eher aus wie ein Holländer, doch das taten die Engländer ja oft und umgekehrt.
    Jetzt aber fiel Tom ein, was Gauthier später an jenem Abend gesagt hatte: »Er will nicht unfreundlich sein, er ist nur deprimiert. Hat eine Blutkrankheit – Leukämie, glaube ich. Etwas Ernstes. Und sonst geht es ihm auch nicht besonders, wie Sie am Haus sehen können.« Gauthier hatte ein Glasauge. Die Farbe war merkwürdig: gelbgrün, offenbar ein Versuch, die Farbe des gesunden Auges nachzuahmen. Ein kläglich gescheiterter Versuch. Gauthiers Glasauge erinnerte an das Auge einer toten Katze. Man wollte nicht hinsehen, doch es hielt einen hypnotisch gefangen. Gauthiers düstere Worte in Verbindung mit dem Glasauge hatten Tom stark beeindruckt: Er hatte an den Tod denken müssen und das nicht vergessen.
    »Ach ja, von Ihnen hab ich schon gehört.« Machte dieser Trevanny oder wie er auch hieß etwa ihn für den Tod von Bernard Tufts verantwortlich, und auch für den von Dickie Greenleaf damals? Oder war der Engländer bloß wegen seines Leidens verbittert und ließ es jeden spüren? Wie ein Mann mit einem nervösen Magen, der andauernd Bauchschmerzen hatte? Nun erinnerte Tom sich auch wieder an Trevannys Frau: nicht hübsch, aber apart, kastanienbraunes Haar, freundlich und offen. Sie hatte sich viel [19]  Mühe mit dieser Party gemacht, bei der alle gestanden und niemand auf den wenigen Stühlen in dem kleinen Wohnzimmer und in der Küche Platz genommen hatte.
    Tom überlegte, ob ein Mann wie Trevanny wohl einen Auftrag übernehmen würde, wie er Reeves vorschwebte. Für den Engländer war ihm eine interessante Anbahnungsvariante eingefallen. Sie konnte bei jedem klappen, wenn man den Boden bereitete, was in diesem Fall jedoch schon geschehen war: Trevanny machte sich ernsthaft Sorgen um seine Gesundheit. Seine Idee war nur ein Scherz, ein übler Scherz, nicht gerade nett, aber der Mann war auch zu ihm nicht nett gewesen. Und es war nur für ein, zwei Tage, bis Trevanny mit seinem Arzt sprechen konnte.
    Tom fand Vergnügen an seinen Gedankenspielen. Sachte löste er sich von Héloïse, damit er sie nicht weckte, falls er auf einmal lachen mußte. Angenommen, Trevanny willigte ein und führte Minots Plan tadellos aus, wie ein Soldat einen Befehl? War es einen Versuch wert? Ja, denn er hatte nichts zu verlieren, und Trevanny auch nicht. Der Mann konnte nur gewinnen. Reeves auch, wie er sagte, aber in welcher Hinsicht, das wußte nur er selber. Was Reeves Minot wollte, war Tom genauso unklar wie dessen Mikrofilmschmuggel, bei dem es vermutlich um internationale Spionage ging. Ob die Regierungen wußten, wie verrückt sich manche ihrer Spione aufführten? Spinner, halb Wahnsinnige, die mit Pistolen und Mikrofilmen von Bukarest nach Moskau und Washington hetzten – Männer, die mit der gleichen Begeisterung all ihre Kraft dem internationalen Krieg der Briefmarkensammler oder der Beschaffung geheimer Baupläne von Modelleisenbahnen widmen könnten.

[20]  2
    Und so kam es, daß rund zehn Tage später, am 22.   März, Jonathan Trevanny, der in der Rue SaintMerry in Fontainebleau wohnte, einen merkwürdigen Brief von seinem guten Freund Alan McNear erhielt. Alan, der in Paris einen
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