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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold
Autoren: Andrea Schacht
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schienen die Mosaikfische wie belebt in den kleinen Wellen zu schwimmen. Nur in einem der Kaltwasserbecken störte ein dunkler Flecken das leuchtende Blau der Fliesen. Es war kein sehr tiefes Becken, und Rufina raffte ihr Gewand bis über die Knie, stieg die drei Stufen hinab und bückte sich nach dem Gegenstand. Sie hielt einen kleinen Lederbeutel in der Hand, voll gesogen mit Wasser und mit einem verknoteten Band geschlossen. Um ihn genauer zu untersuchen, trug sie ihn zu ihrer Wohnung.
    Es erwies sich als kniffelig, das nasse Lederband aufzuknoten, und nach einigen fruchtlosen Versuchen griff Rufina nach einem Messerchen und schnitt es ungeduldig auf. Es klirrte leise, als aus dem Beutel zwei zierliche Gegenstände auf die Tischplatte fielen. Mit spitzen Fingern hob Rufina sie auf und trug sie zum offenen Fenster, um sie im hellen Sonnenlicht zu untersuchen. Fein geflochtener dünner Golddraht bildete einen Halbmond, an dessen Rundung zarte, lanzettförmige Goldplättchen hingen. Nach oben schlossen sich die Drähtchen, eng miteinander verzwirnt, zu einem offenen Ring mit einer Öse.
    »Ohrringe!«, flüsterte Rufina leise. Sie legte sie auf die Handfläche und betrachtete sie lange. Trauer legte sich um ihr Herz.
    Die Ohrringe waren in derselben Art gefertigt wie das Halsband, das ihr Maurus vor acht Jahren zur Geburt ihres ersten Kindes geschenkt hatte. Zwei passende Reifen aus Goldfiligran, die sie an den Oberarmen tragen konnte, hatte sie dann bei der Geburt von Crispus erhalten.
    Weitere Geschenke dieser Art würde sie nie wieder erhalten, Maurus war vor über zwei Monaten, im bittersten Winter ihres Lebens, gestorben.
     
    Fulcinius Crassus war, entgegen seines Zunamens »der Fette«, zeitlebens ein ausgesprochen hagerer Mann geblieben, der zur Überraschung aller, die ihn kannten, in der Lage war, üppigste Mahlzeiten zu sich zu nehmen, ohne auch nur einen Ansatz von Fett auf seinem knochigen Körper zu bilden. Inzwischen hatte er die sechzig bereits um einige Jahre überschritten, sein Haar und sein Bart waren grau und ziemlich struppig, außer zu den Zeiten, in denen er es sich angelegentlich sein ließ, jüngeren Frauen imponieren zu wollen. Seiner Schwiegertochter Rufina gegenüber hatte er selten derartige Anwandlungen.
    Er betrat den Raum, als sie gerade die Ohrringe zurück in den feuchten Beutel steckte.
    »Was ist nun schon wieder los, Mädchen? Mit einer solchen Leidensmiene wirst du vielleicht Mitleid erregen, aber dadurch kommen auch nicht mehr Gäste in die Therme. Hat ein ganz schönes Gegacker heute Vormittag gegeben. Warum warst du nicht da und hast die Frauen selbst empfangen? Die Paula ist ein dummes Huhn, kaum in der Lage, die Asse und Sesterzen richtig herauszugeben.«
    »Ich habe dafür gesorgt, dass wenigstens die Männer heute Nachmittag sauberes Wasser haben.«
    »So, hast du! Warum hast du das nicht deinen verschlafenen Aufseher regeln lassen? Dafür bezahlst du deine Angestellten doch teuer genug!«
    »Hör auf zu nörgeln, Crassus.«
    »Ich nörgele nicht, ich stelle nur ein paar praktische Fragen!«
    »Praktisch, wie? Auf der einen Seite soll ich Paulas Arbeit machen und auf der anderen darf ich die von Marius nicht übernehmen.«
    »Mach du die Frauenarbeit und überlass den Männern die ihre.«
    »Nur zu gerne, Schwiegervater. Welche Männerarbeit würdest du jetzt gerne übernehmen?«
    »Keine. Ich bin doch nicht so ein schäbiger Latrinenpächter wie mein missratener Sohn. Mir ist noch immer ein Rätsel, warum er diese Arbeit angenommen hat. Er hätte den Olivenhandel übernehmen sollen.«
    »Er hat aber nun mal die Therme gepachtet. Und nicht die Latrine, um das wieder einmal klarzustellen. Immerhin hat er damit ganz gut unseren Lebensunterhalt verdient.«
    »Hat er, du hingegen bist schon wieder mit den Einnahmen im Rückstand.«
    »Das hat seine Gründe, wie du sehr wohl weißt.«
    »Ich sehe schon, demnächst kommen hier ungesüßter Bohnenbrei und Essigwasser auf den Tisch!«
    »Wenn dir das nicht passt, dann kannst du ja etwas zum Haushalt beisteuern, Schwiegervater. Du brüstest dich doch immer damit, wie gut deine Geschäfte gehen!«
    Es hatte sich wieder ein giftiger Ton in Rufinas Stimme geschlichen, und ihre dunklen Augen blitzten den alten Mann herausfordernd an. Er schaffte es regelmäßig, sie zu reizen.
    »Warum sollte ich in diese Latrine investieren? Gib den Laden auf, Rufina. Es schickt sich nicht für eine Frau, ein solches Geschäft zu führen. Es gibt zu
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