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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold
Autoren: Andrea Schacht
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Erbitterung brach wieder durch, als der Baumeister geduldig versuchte, ihr sein Vorgehen noch einmal zu erläutern. Ihre Laune war seit dem frühen Morgen schon nicht die beste, und sie spuckte Gift und Galle.
    Mit unerwartetem Erfolg. Der blonde Hüne betrachtete sie achtungsvoll, und als sie zwischendurch nach Luft schnappte, grinste er ihr anerkennend zu: »Du bist ein rechter Feuerbrand, kleine Domina.«
    »Ich sollte sie zum Abkühlen in das Becken werfen!«, knurrte Silvian und machte Anstalten, auf sie zuzugehen.
    »Tu es nicht, sie würde nur das Wasser zum Sieden bringen!« Enorix, der Gallier aus der Eifel, war an ihre Seite getreten und sah zu ihr hinunter. Er war genauso groß wie der blonde Germane, doch seine wilde Mähne und sein dichter, lockiger Vollbart waren ebenso flammend rot wie Rufinas Haare. »Aurelia Rufina, was regst du dich so auf? Die edlen Bürger dieser Stadt werden es schon überleben, wenn sie einen Tag mal kein Bad nehmen können.«
    Seine Stimme war tief und freundlich, und Rufina zog hilflos die Schultern hoch.
    »Die Bürger schon, ich nicht! Schon dreimal in diesem Monat hat es Wasserprobleme gegeben. Einmal kam gar keins, ein andermal eine schlammige, stinkende Jauche, und letzte Woche schwamm ein toter Hase im Caldarium...«
    Rufinas Stimme hatte sich überschlagen, und sie biss sich auf die Knöchel ihrer rechten Hand, um nicht in Tränen auszubrechen. Doch der Baumeister war augenscheinlich ebenfalls an die Grenzen seiner Belastbarkeit gestoßen. Er tobte los: »Und wir haben, verdammt noch mal, diese verdammte Leitung fertig zu kriegen, und das ist ein verdammt schwieriger Teil, den wir zu erledigen haben. Und ich will, verdammt noch mal, nicht mit derartigen Kleinigkeiten wie toten Hasen belästigt werden!«
    Rufina ließ ihre Hand los, und ihre Augen sprühten Funken. Doch bevor sie mit der geballten Energie einer Feuersbrunst zur Antwort schreiten konnte, legte ihr Enorix seine schwere Hand auf die Schulter.
    »Da steckt doch noch mehr dahinter, kleine rote Füchsin!«, sagte er sanft. »Vielleicht gibt es Gründe, die den Baumeister doch überzeugen können, die Leitung zu prüfen?«
    Rufina presste die Lippen zusammen, aber dann brach es plötzlich aus ihr heraus.
    »Morgen kommt der Pachteintreiber, und ich kann mir keinen Tag Verlust mehr leisten. Seit Maurus tot ist...«
    Silvian sah sie mit einem Mal betreten an, dann rief er einen der Arbeiter und befahl ihm, das Wehr am Zulauf aus dem Eifelkanal zu schließen. Geschrei und Gebrüll konnte er ertragen, Gezeter auch, aber die letzten Worte hatten ihn plötzlich betroffen gemacht. Nur zu gut wusste er, was Maurus, Rufinas Mann, geschehen war.
    »Die halbe Stadt wird gleich hier sein!«, murrte er, als der Wasserspiegel in dem Verteilerbecken langsam zu sinken begann und die Leitungseinmündungen sichtbar wurden, durch die das Wasser in die Stadt verteilt wurde. Es dauerte eine geraume Weile, bis es so weit abgelaufen war, dass man in das Becken steigen konnte, und in der Zwischenzeit fachsimpelten Enorix, Halvor und Silvian über die Lösung ihres Brunnenproblems. Rufina stand stumm dabei und gewann allmählich ihre Fassung wieder. Sie hatte sich in den Griff bekommen, als Silvian zwei Arbeiter des Aquarius’ aufforderte, die Zuleitung zu dem Stadtviertel zu prüfen, in dem die Therme lag. Der Zulaufkanal, aus dem die Ströme aus der Eifel kamen, war mannshoch und begehbar, die Verteilerleitungen hier im Wasserkastell noch immer von so großem Durchmesser, der einem schmächtigen Mann erlaubte, bis zur Absperreinrichtung hineinzukriechen. Der Arbeiter, der sich der betroffenen Röhre annahm, kam langsam rückwärts wieder heraus.
    »Baumeister, wir haben ein Problem.«
    »Das dachte ich mir. Welcher Art?«
    »Ein großes Problem, Lucillius Silvian. Es - nun ja - es scheint ein menschlicher Körper vor dem Wehr zu stecken.«
    Silvian ergriff wortlos eine der brennenden Lampen und kletterte die Sprossen in das Sammelbecken hinunter. Er war zu breit in den Schultern, um in die Leitung zu kriechen, aber er leuchtete hinein und rief dann nach einer Hakenstange. Man reichte sie ihm, und mit einem kräftigen Ruck zog er das Hindernis aus der Röhre.
    »Großer Jupiter!«
    Ein Mann lag auf dem Boden zu seinen Füßen, tot, ohne jeden Zweifel. Sein Körper bot ein grausiges Bild, der Weg durch den gemauerten Kanal hatte ihn bis fast zur Unkenntlichkeit entstellt. Doch man sah, er trug Lederhosen, wie es gewöhnlich die
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