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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt
Autoren: Elke Schwab
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»Glückauf, liebe Gäste! Mein Name ist Arthur Hollinger. Ich werde Sie heute bei der Führung über das Grubengelände und durch das Erlebnisbergwerk Velsen begleiten«, stellte sich der große Mann der Gruppe vor.
    Alle Besucherinnen und Besucher waren mit kleinen Schildern ausgestattet worden, auf denen ihre Vornamen vermerkt waren. Während sie sich damit beschäftigten, diese an ihren Jacken anzubringen, damit sie jeder lesen konnte, sprach der Mann weiter: »Bei uns unter Tage bevorzugen wir einen kameradschaftlichen Ton. Das heißt, dass wir uns mit › Du ‹ ansprechen, uns an der Hierarchie nicht stören und dabei unsere Vornamen meist sogar in Spitznamen abwandeln. Also mich hat man unter Tage nicht Arthur, sondern Addi gerufen. Ein Name, den ich heute anbiete. So wie ich auch das › Du ‹ anbiete. Ich hoffe, dass ihr alle damit einverstanden seid.«
    Allgemeines Nicken und Lachen war die Antwort.
    »Dann wollen wir mal beginnen.«
    Hollinger war sich der Aufmerksamkeit der Gäste sicher und begann mit seinem Vortrag: »Schon Napoleon richtete in unserer Region eine Berghochschule ein, die zur damaligen Zeit einzigartig für Frankreich war. Der Schulstandort ist seit Mitte des 19. Jahrhundert in Saarbrücken. Zu dieser Zeit war die Grube Geislautern schon lange in Betrieb und wurde sogar durch zwei zusätzliche Schächte erweitert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeichnete sich dann aber ein Förderrückgang ab, der zur Schließung führte. Geislautern war die Muttergrube der Grube Velsen, der ihr gerade einen Besuch abstattet.«
    Andächtig schaute die Gruppe von Neugierigen auf den großen Bergmann, der mit dunkler, sonorer Stimme diesen Vortrag hielt. Seine Kleidung bestand aus imprägniertem Baumwollstoff. Seinen Helm hielt er in der Hand. Seine Schuhe waren mit Stahlkappen versehen. Darüber trug er Schienbeinschützer aus weißem, festem Kunststoff. Sogar Handschuhe hatte er bei sich, die während seines Vortrags im Lampengürtel befestigt waren.
    »Mit dem Abteufen des Rosselschachtes wurde bereits im Jahr 1899 begonnen und …«
    »Was heißt Abteufen?«, rief einer der Zuhörer dazwischen.
    »Das ist der Fachbegriff der Bergleute für das Ausheben eines neuen Schachtes, der senkrecht in die Tiefe gebaut wird.«
    Der Fragende nickte und der Bergmann sprach weiter: »Diese neue Anlage wurde zunächst Grube Rosseln und im Jahr 1907 nach dem preußischen Oberberghauptmann Gustav von Velsen, der fünf Jahre lang Vorsitzender der Bergwerksinspektion Saarbrücken war, in Grube Velsen umbenannt. Den Schacht nannte man ab dem Zeitpunkt Gustavschacht. Zwischen 1907 und 1917 wurde die gesamte Tagesanlage großzügig ausgebaut und um einen weiteren Schacht – den Annaschacht – erweitert. Anna war Gustav von Velsens Frau. Später wurde er dann der Einfachheit halber Gustavschacht II genannt. Dieser ist heute noch in Betrieb und dient als Wetter-und Seilfahrtschacht für das Bergwerk Warndt. Das bedeutet, dass hier keine Kohle mehr gefördert wird, der Schacht wird lediglich für Personen-und Materialbeförderung und für die Bewetterung der Grube genutzt.
    Und genau an dieser Stelle befinden wir uns jetzt. Wir stehen hier am Gustavschacht II.«
    »Was heißt Bewetterung?«
    »Bewetterung bedeutet in der Bergmannssprache die Zuführung frischer Luft in den gesamten Grubenbau. Eigentlich ist es nur ein anderer Begriff für Belüftung«, antwortete Hollinger. »Und dieser Schacht dient neben der Bewetterung auch der Personenbeförderung, auf die wir jetzt zu sprechen kommen. Das System, das diese Körbe oder Aufzugskabinen hoch und wieder hinunter befördert, nennt man Koepe-Förderung. Zu diesem System gehört der Förderturm, den wir alle sehen.« Die Menge schaute auf das mächtige Gerüst, an dessen höchster Stelle ein großes Rad zu sehen war.
    »Der eigentliche Motor liegt hier.« Hollinger zeigte auf einen Sandsteinbau mit Rundbogenfenstern und Mauerblenden, an dessen Stirnseite zwei Freitreppen vorgelagert waren. Die Blicke der Besucher schwenkten auf das Gebäude, dem von außen seine Funktion nicht anzusehen war.
    »Das ist das Fördermaschinenhaus. Während im linken Teil heute eine Werkstatt untergebracht ist, befindet sich im rechten Teil noch die ursprüngliche Zwillingsdampfmaschine der Dingler-Werke aus dem Jahre 1916. Sie ist heute noch in Betrieb und ist die älteste Dampffördermaschine im Saarland.« Die Besucher staunten.
    »Und trotzdem funktioniert die Maschine noch wie am ersten
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