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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold
Autoren: Andrea Schacht
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Gerede Anlass!«
    »Unsinn. Wenn ich die Therme aufgebe, verdiene ich überhaupt nichts mehr und liege dir mit den Kindern auf der Tasche. Das ist das Letzte, was ich will.«
    »Ich auch nicht, davor schütze mich Merkur. Du musst wieder heiraten, das ist alles.«
    »Dazu habe ich dir meinen Standpunkt bereits mehrmals klar gemacht. Und wenn du nichts dagegen hast, dann werde ich mich jetzt um meine Abrechnungen kümmern. Morgen kommt der Pachteinnehmer!«
    »Tu das, Rufina, tu das. Aber bitte sei vorher so nett und schick mir die süße kleine Masseurin ins Zimmer. Solange keine Gäste deine leeren Becken besuchen, kann sie mir ihre Dienste widmen.«
    »Schön, wenn du den üblichen Satz bezahlst. An mich, wohlgemerkt. Ich gebe ihr dann schon ihren Anteil.«
    »Rufina, ich gehöre zur Familie!«
    »Ich muss an meine Einnahmen denken, Schwiegervater, sonst gerate ich in Rückstand! Du zahlst zukünftig für alle Leistungen. Oder du hilfst mit. Eins von beidem.«
    »Ich bin ein alter Mann!«
    »Du bist ein alter Bock, und zukünftig wirst du sogar für die Benutzung der Latrine bezahlen!«
    »Kommt nicht in Frage. Dann pinkle ich eher in die Ecken.«
    »Wenn du das tust, wische ich die Schweinerei eigenhändig mit deiner besten Toga auf!«
    Rufina nahm das feuchte Lederbeutelchen an sich und verließ mit energischen Schritten das Zimmer. In dem Raum, den sie sich für ihre Verwaltungsarbeiten vorbehalten hatte, nahm sie sich die Wachstäfelchen vor, auf denen sie ihre Abrechnungen zu machen pflegte, und stellte das Rechenbrett bereit.
    Es war ein deprimierendes Geschäft, und es wollte ihr nicht recht von der Hand gehen. Mehrmals ertappte sie sich, wie sie mutlos aus dem Fenster starrte. Möglicherweise hatte ihr Schwiegervater Recht, und sie würde über kurz oder lang die Therme aufgeben müssen. Sie nahm ihm seine spitzen Bemerkungen nicht besonders übel, auch wenn sie ihnen nicht mit Langmut begegnete. Er war vor zwei Wochen in die Colonia gekommen, und sie musste zugeben, er hatte sie mit seiner ständigen Nörgelei aus ihrer Lethargie gerissen. Sie kannte ihn nun schon seit fast neun Jahren. Es war seine Art, an allem herumzukritisieren, vor allem aber an seinem Sohn Maurus, der so gar nicht seine Erwartungen erfüllt hatte. Fulcinius Crassus betrieb ein blühendes Handelsgeschäft, das er in die Hände seines Partners gelegt hatte, um nach Erhalt der Nachricht vom Tode seines Sohnes in die Colonia zu reisen. Seine Spezialität waren das feinste Olivenöl und die delikatesten eingelegten Oliven, die sie bei den Bauern aufkauften und mit einem satten Gewinn in jene römischen Provinzen lieferten, die nicht mit dem Anbau von Olivenbäumen gesegnet waren. Hin und wieder hatte Maurus, als er alt genug war, Reisen für ihn unternommen und Geschäftsbeziehungen geknüpft, aber kaum hatte er sich einmal eine ordentliche Provision verdient, war er seinen eigenen Interessen nachgegangen. Einen Faulenzer, einen ehrgeizlosen Tagedieb und einen vergnügungssüchtigen Leichtfuß hatte Crassus ihn geschimpft, weil er wochenlang mit seinen Freunden umhergezogen war. Einen ausgemachten Dummkopf nannte er ihn, der weder Geldverstand noch Bildung besaß, obwohl er die besten Lehrer für ihn eingestellt hatte. Verschwendungssucht warf er ihm vor, doch es waren nicht Crassus’ Sesterzen, die Maurus so großzügig ausgab. Das wusste Rufina nur zu genau, denn sie hatte es schon wenige Monate nach ihrer Hochzeit übernommen, für Crassus die Bücher zu führen. Obwohl Maurus immer Geld bei der Hand hatte, wusste sie nie genau, woher es stammte. Die anderen Vorwürfe mochten stimmen, doch Rufina vertrat trotz allem eine eigene Meinung zu Maurus. Vielleicht war er nur von geringem Ehrgeiz geplagt, was das Geschäftemachen anbelangte, er war sicher auch nicht der verantwortungsvollste Ehemann gewesen, aber über die Geburt der beiden Kinder hatte er sich aufrichtig gefreut, und ihnen war er, wenn er denn mal anwesend war, ein hingebungsvoller Vater. Maura und Crispus liebten ihn vorbehaltlos. Und sie selbst?
    Wieder sah sie aus dem offenen Fenster. Auf den ziegelgedeckten Dächern der Nachbarhäuser saßen gurrende Tauben und tschilpende Spatzen. Die Äste einer hohen Buche neigten ihre Zweige in der sanften Brise des Frühlings, und ihre kleinen hellgrünen Blattfächer begannen sich eben zu entfalten. Aber Rufina bemerkte das alles nicht. Sie sah Maurus’ Gesicht vor ihren Augen.
    Sie würde nicht mehr heiraten. Genauso wenig, wie
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