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Rheines Gold

Titel: Rheines Gold
Autoren: Andrea Schacht
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abzuholen, so sparen wir zumindest die Lieferkosten.«
    Rufina lächelte kaum merklich. Es verblüffte sie auch nach drei Jahren gemeinsamen Lebens immer wieder, wie die vornehme Fulcinia es fertig brachte, die ungehobelten Männer zur Arbeit anzuhalten. Es war schon ein Anblick, wenn sie mit sanfter, höflicher Stimme inmitten der halb nackten, rußverschmierten, schwitzenden Gesellen, die vor den Glutlöchern des Praefurniums schufteten, ihre Anweisungen gab. Jedes ihrer leisen Worte wurde sofort ohne jede Frage und ohne jedes Zögern befolgt. Hier zeigte sie Autorität, doch sowie sie sich Fremden gegenüber fand, wurde sie schüchtern und versank in eine geradezu magische Unscheinbarkeit.
    »Wo sind eigentlich deine Kinder, Rufina? Sollten sie nicht ihren Unterricht beendet haben?«
    »Sie haben so lange gebettelt, bis ich ihnen erlaubt habe, an den Rhein hinunterzugehen. Aber du hast Recht«, sagte sie mit einem Blick auf die inzwischen schon weit nach Westen gewanderte Sonne, »sie sollten allmählich nach Hause finden.«
    »Ich denke, du musst dir um sie keine Sorgen machen, sie sind sehr vernünftig für ihr Alter.«
    »Ich sollte mir keine Sorgen machen, aber ich mache sie mir. Ich hasse das Warten. Seit diesen Tagen im Februar...«
    »Ich weiß. Sie werden gleich kommen, Rufina. Besser gesagt, dieses Trampeln auf dem Gang scheint mir sogar ihr sofortiges Eintreffen zu bedeuten.«
    In der Tat näherten sich Schritte. Genagelte Sandalensohlen klopften auf den Holzboden, Gekicher und ein Quietschen ertönten, und dann stürmten zwei Kinder, ein achtjähriges Mädchen und ihr um ein Jahr jüngerer Bruder, in das Zimmer.
    »Maura! Crispus! Bona Dea, wie seht ihr aus!«
    »Schlammig, Mama. Crispus ist ins Wasser gefallen, und ich habe ihn herausgezogen.«
    »Ich sagte doch, sie sind vernünftig, Rufina!«, stellte Fulcinia trocken fest.
    »Natürlich sind wir das, Tante Dignitas. Und die Sonne ist auch schon ganz warm, uns ist gar nicht kalt gewesen.«
    »Außerdem haben wir etwas gefunden, Mama. Also, deswegen bin ich ja ins Wasser gefallen. Wir haben nämlich den Männern zugesehen.«
    »Den Männern?«
    »Ja, die das hier aus dem Sand waschen!«
    Eine schmutzige Faust öffnete sich, und ein Glitzern darin versetzte Rufina in Erstaunen.
    »Ist das Gold?«
    »Ja, Mama. Die Legionäre waschen es aus dem Sand. Mit Sieben. Aber Crispus hat das hier einfach so zwischen den Kieseln gefunden.«
    »Wo wart ihr denn nur?«
    »Hinter dem Hafen, da, wo die Auen beginnen!«
    »Ihr wart außerhalb der Stadtmauern? Hört mal, ihr zwei, das macht ihr mir nicht noch einmal! Ich habe euch erlaubt, zum Wasser hinunterzugehen, aber die Stadt dürft ihr nicht verlassen. Das ist viel zu gefährlich! Ich habe es euch schon so oft untersagt!«
    »Aber Mama...!«
    »Keine Widerrede, Maura. Ich verbiete es.«
    »Aber da sind die Wäscherinnen und die Goldsucher und die Fischer und die...«
    »Maura!«
    »Und keine Wölfe!«, fügte das Mädchen trotzig hinzu.
    »Womit sie Recht hat, Rufina.«
    »Fulcinia, ist das nicht meine Sache?«
    »Doch, aber sie haben Recht, Rufina. Ich denke, ich weiß auch den Grund, warum sie in die Auen gehen.« Rufina sandte der Älteren einen zornigen Blick. »Und du weißt es ebenfalls!«, schloss Fulcinia ihre Rede.
    »Ja, Mama. Es ist besser so. Wenn wir uns raufen, magst du das auch nicht!«
    Rufinas Zorn löste sich in feinen Rauch auf, und sie fuhr Crispus liebevoll durch die kurzen, krausen Haare, die seinen Kopf wie ein wolliges, rotes, und derzeit ein wenig schlammiges, Fell bedeckten.
    »Ja, ich weiß. Aber euer Vater ist nun mal vor den Mauern von wilden Tieren angefallen worden. Ich habe Angst um euch beide.«
    »Das sagst du immer wieder, Mama. Aber es ist Sommer, und die wildesten Tiere, die wir je in den Auwiesen angetroffen haben, sind ein paar glitschige Frösche.«
    Rufina zog auch ihre Tochter in die Arme. Ihre Haare waren nicht kraus, sondern nur lockig und tiefschwarz und hatten sich ungebärdig aus den Zöpfen gelöst. Beide Kinder aber besaßen die gleiche seidige Haut, deren Farbe an Haselnüsse denken ließ. Bedauerlicherweise machte dieses matte, warme Braun sie oft genug zum Gespött der Gleichaltrigen.
    »Schon gut, Maura. Aber bleibt immer zusammen, ja? Versprecht ihr mir das?«
    »Natürlich, Mama. Ich passe auf Crispus auf!«
    »Blödsinn, Mama, ich passe auf Maura auf. Sie ist ja bloß ein Mädchen!«
    »Ach, bloß ein Mädchen? Und wer hat dich vorhin aus dem Wasser
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