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Resturlaub

Resturlaub

Titel: Resturlaub
Autoren: Tommy Jaud
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erzählt: Sie könnte meine Schwester sein inzwischen!«
    »Weil du sie so behandelst! Und, das darfst du nicht vergessen in den Zeiten von Hartz 4 und so: Du hast einen klasse Job bei Seppelpeter's!«
    »Ich hab einen Chef, der mich hasst!«
    »Dann freu dich wenigstens auf den Urlaub!«
    »Da will ich auch nicht hin!«
    »Dann wirste wohl auswandern müssen und ein komplett neues Leben anfangen!«
    »So sieht's aus!«
    Schweigend leerten wir unsere Steinkrüge. Dann bliesen wir Sandy auf und bestellten ihr eine Brezel ohne zu lachen.
    Picknicker
    KARL-HEINZ SEPPELPETER starb einfach nicht. Er tat es schon mal deswegen nicht, weil er wusste, dass ich noch während der Beerdigung sein heiß geliebtes Apostroph hinter Seppelpeter's Spezial's gestrichen und alkoholfreies Bier ins Sortiment aufgenommen hätte. Da Karl-Heinz Seppelpeter der Chef der gleichnamigen Familienbrauerei war, wusste er all diese Neuerungen auf eine ebenso einfache wie effiziente Art und Weise zu verhindern: indem er am Leben blieb.
    Wir nannten Karl-Heinz Seppelpeter alle den »jungen Seppelpeter«. Nicht, weil er so jung war, sondern weil er der Sohn vom alten Seppelpeter war. Der junge Seppelpeter war ein Mann, der einen Kasten Bier zwar nicht mehr tragen, aber immer noch trinken konnte. Der junge Seppelpeter war einundneunzig.
    Es war mal wieder >Vierteljährige<, eine Versammlung, bei der die gesamte Familie Seppelpeter und alle Abteilungsleiter zusammenkamen, um über Bier und Zukunft zu sprechen. So hieß es zumindest. In Wahrheit tranken sie Bier und sprachen über die Vergangenheit. Wie immer saßen wir unten im Seppel-keller, dem größten Raum der Brauerei, in dem wir sonst die Touristen abfertigten.
    Der junge Seppelpeter saß mit einem grauen Filzhut am Kopfende des Tisches. Außer dem Filzhut trug er stets eine Fliege, ein kariertes Hemd und ein Loden-Jackett. Es war der Morgen nach dem gescheiterten Junggesellenabend und mir dröhnte der Schädel vom etwas zu süffigen Lagerbier. Vermutlich trug ich deshalb meine Vorschläge zur Einführung von alkoholfreiem Bier besonders vehement vor an diesem Morgen. Doch wie jedes Mal runzelte auch dieses Mal der junge Seppelpeter seine ohnehin schon faltige Stirn, als ich das Wort »alkoholfrei« auch nur in den Mund nahm. Das Stirnrunzeln ergänzte er zudem noch um ein verächtliches »Pförds!«, was wörtlich übersetzt »Fürze« heißt, aber eigentlich so viel bedeutet wie »Totaler Unsinn!«
    Ich gab nicht auf und redete mir den Wolf von Produktpositionierung, Geschmackstrends und Zielgruppenorientierung, während der Chef an der Stirnseite seelenruhig sein Bier in sich hinein- und meine Ausführungen an sich vorbeilaufen ließ.
    »Was spricht denn dagegen, wenn wir neben dem besten Lagerbier Frankens auch noch das beste alkoholfreie Bier Frankens brauen?«, versuchte ich den jungen Seppelpeter aus der Reserve zu locken. Seine Antwort lautete:
    »Ich!«
    »Das sind alles Marktanteile, die uns flöten gehen! Bares Geld!«
    »Pförds!«
    Gut die Hälfte der Mitarbeiter lachte, auch sein dicker Sohn Max, der aussah wie Diether Krebs in einem seiner DickeBrillen-Sketche. Ich hatte mich an das Lachen gewöhnt: Es war meine achtundzwanzigste Präsentation.
    »Du wirst doch net kurz vor deinem Urlaub noch a Revolution anzetteln wollen, oder?«, fragte mich der junge Seppelpeter, »und des, wo du dein Resturlaub bis in den Juli mit hast schiebb dürf!«
    »Das weiß ich ja auch zu schätzen«, antwortete ich und legte nach: »Wir müssen trotzdem was machen: Die Bayern positionieren ihr alkoholfreies Erdinger inzwischen sogar als Sportgetränk!«
    »Mir wurscht«, polterte mein Chef zurück, »wir machen Bier, kei Limo!«
    Wieder lachten alle und leider schien es so, als hätte Seppelpe-ter zunehmend Spaß an meiner Demontage.
    »Am End willste noch den Reechenwald retten!«
    Erschöpft ließ ich mich auf meinem Stuhl nieder und wollte schon aufgeben für dieses Mal, da meldete sich der Seppelpeter noch einmal zu Wort, diesmal in einer wohlwollenderen Tonlage.
    »Also gut, Greulich. Wenn du unbedingt alkoholfreie Getränke machen willst .«
    Seppelpeter zückte einen Kugelschreiber, schrieb etwas auf einen Bierdeckel und ließ ihn mir durchreichen, »dann könnte dir die Nummer weiterhelfen. Und uns auch.«
    Auf dem Deckel stand: 0921-600 04. Ich witterte meine Chance.
    »Und wer geht da ran?«, fragte ich unsicher.
    »Coca-Cola!«, prustete der Alte heraus und erntete großes Gelächter dafür.
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