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Resturlaub

Resturlaub

Titel: Resturlaub
Autoren: Tommy Jaud
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Leberkäs mit Hut
    SPÄTESTENS WENN einer deiner besten Freunde dir einen Strafzettel hinter den Scheibenwischer klemmt, ist es Zeit, über ein paar grundsätzliche Dinge nachzudenken. Doch so weit war ich damals noch nicht. »Damals«, das ist jetzt genau vier Tage her. Wutschnaubend kämpfte ich mich an diesem Nachmittag durch die flirrende Sommerhitze der touristenverseuchten Bamberger Altstadt, vorbei an Großgruppen von schnatternden Japanern und Busladungen steifer Senioren. Ich wollte den Mann stellen, der mir den Strafzettel verpasst hatte: Checko. Und natürlich erwischte ich ihn dort, wo man ihn immer erwischt zur Mittagszeit: an einem der blankgescheuerten Holztische im Schlenkerla, einer über 300 Jahre alten Gaststätte. Das Schlenkerla ist eine Institution in Bamberg und es schenkt ausschließlich Bier aus, das so schmeckt, als sei gerade ein Schinken und eine Tüte Barbecue-Chips hineingefallen: das Aecht Schlenkerla Rauchbier.
    Ich sah Checkos Uniform schon durchs Fenster, doch erst der Bierkrug in der linken Hand und die Leberkässemmel in der rechten ließen eine eindeutige Identifizierung zu: Uniform plus Leberkäs plus Bierkrug gleich Checko. Und da Checko sich schon vor langer Zeit aus seiner dunkelblauen Dienstkleidung herausgefuttert hatte, sah er inzwischen selbst ein wenig aus wie ein Leberkäs oder, genauer, wegen der offiziellen Mütze, wie ein Leberkäs mit Hut. Durch die offene Tür betrat ich den dunklen Gastraum mit seiner niedrigen braunen Holzdecke und wurde von Babsi, der Bedienung, sofort mit einem herzlichen »Der Greulich!« begrüßt. Energisch zog ich mir einen der hellen Holzstühle mit dem Herz in der Lehne heran und hielt dem erschrockenen Checko mein frisch gezapftes Knöllchen vors Gesicht.
    »Mensch Bidschi! Da gricht mer ja an Herzkaschber!«, stöhnte er in breitestem Mittagspausenfränkisch.
    Ich setzte mich. Checko blickte zunächst auf meinen Strafzettel, dann auf mich und stellte erst dann seinen Bierkrug ab.
    »Wenn du Touristen aufschreiben würdest statt Freunde, würde dich auch keiner erschrecken!«
    Ich muss wohl ziemlich energisch geklungen haben, denn nicht nur Checko, sondern auch die dralle Babsi am Ausschank warf mir einen missbilligenden Blick zu. Checko wischte sich einen Senfrest aus dem Bart, kaute zu Ende und deutete auf mein Knöllchen.
    »Der blaue Golf vor der Reinichung?«
    »Der blaue Golf vor der Reinichung, genau!«
    »Der wo im eingeschränkten Haldeverbot g'standen war für mehr als wie fünf Minuden?«
    Ich konnte es nicht fassen. Da geht man zusammen zur Schule, fährt neun Mal zusammen nach Mallorca und trinkt eine Million Bier miteinander und dann so was! Ich atmete tief durch, dann legte ich die Hand auf Checkos Schulter. Irgendwas Grundsätzliches schien da zwischen uns gerade schief zu laufen.
    »Checko, du weißt, dass das MEIN Golf ist! Der Golf, den ich seit drei Jahren habe. Der Golf, mit dem wir beide ab und zu nach Nürnberg fahren oder ins Freibad?«
    Checko nickte.
    »Klar, dein Golf. Ich kenn doch deinen >Bitte kein Bit<- Aufkleber hinten drauf!«
    »Und warum zum Teufel schreibst du mich dann auf?«, schnaubte ich und hielt das Knöllchen mit Zeigefinger und Daumen über Checkos Rauchbier. Ungerührt schob er den gesamten Rest seines Brötchens in sich hinein. Offenbar hatte Checko Angst, wegen einer überraschenden Sturmflut oder eines fränkisch-bayerischen Bürgerkrieges wochenlang nichts mehr zu essen zu bekommen. Die dralle Bedienung mit der gezimmerten CSU-Frisur nickte fränkisch vom Ausschank zu mir herüber. Richtig - unser fränkischer Akzent manifestiert sich nicht nur in der Sprache selbst, sondern auch in Gestik und Mimik. So beinhaltet der soeben von Babsi dargebotene, typisch fränkische Nicker meist zugleich Angriffslust, Übellaunigkeit, aber auch eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit.
    »Was grichste denn?«
    »Nix!«
    »Des geht net!«
    »Dann halt ... a kleines Bier!«
    »Hammer net!«
    »Mein Gott, dann halt auch a Rauchbier!«
    »Na also!«
    Checko hatte seine Leberkässemmel in der Zwischenzeit vollständig vernichtet. »Warum ich dich aufschreib?«, wiederholte er und schnappte sich den Strafzettel, noch bevor ich ihn in seinen Krug fallen lassen konnte. »Da steht's doch: Du warst in der Kasernstraße länger als wie fünf Minuden im eingeschränkten Haldeverbot g'standen!«
    »Checko! Biene und ich wohnen da! Ich muss irgendwo parken!«
    »Des habt ihr doch gewusst, bevor ihr da hingezoochen
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