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Resturlaub

Resturlaub

Titel: Resturlaub
Autoren: Tommy Jaud
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SEHE ES an den heraufgezogenen Rollläden und am Licht, das aus dem geöffneten Badfenster im dritten Stock scheint. Biene ist zu Hause!
    Um sicherzugehen, zähle ich die Stockwerke noch einmal.
    Es sind drei. Wie immer. Ich bin zu spät.
    Mit pochendem Herzen und zugeschnürter Kehle öffne ich schließlich die Eingangstür unseres Mietshauses. So sehr zittere ich, dass ich erst nach einigen Anläufen den Briefkastenschlüssel ins Schlüsselloch kriege. Mit geschlossenen Augen drehe ich ihn herum und bitte den lieben Gott, dass mein Abschiedsbrief drin liegt.
    Ich öffne die Augen.
    Meine allerletzte Hoffnung löst sich in Luft auf. Der Briefkasten ist leer. Das war's.
    Womöglich sitzt Biene jetzt schon oben auf der Couch und wundert sich, warum ich in einer Woche kein einziges Mal in den Briefkasten geschaut habe. Oder schlimmer noch: Sie liest meinen Brief!
    Soll ich überhaupt noch nach oben gehen? Ich gehe los und denke nach.
    Man reißt nach einer Woche Urlaub nicht gleich die gesamte
    Post auf. Man nimmt erst mal einen Schluck Wasser, setzt sich, lüftet.
    Langsam, sehr langsam schließe ich unsere Wohnungstür auf.
    Wie immer kommt Biene mir freudestrahlend entgegen und umarmt mich.
    Ich würde mich wahnsinnig gerne auch freuen, doch die Angst ist größer.
    »Mausbär! Müde siehste aus!«
    So fest umarme ich Biene, als wäre jede Sekunde unserer Berührung die letzte unserer Beziehung. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, ich hab keine Lügen mehr parat, ich bin einfach nur dankbar für diese wenigen Augenblicke der Nähe. Was auch immer nun passiert, es ist einfach so.
    »Ich hab dich so vermisst, Mausbär! Und ganz blöde Gedanken hatte ich!« Unfähig zu sprechen halte ich Biene fest umarmt und drücke ihr unzählige Küsse in den Nacken. Lachend wuselt sie mir durch die Haare.
    »Dabei hast du alles so schön vorbereitet, du Verrückter! Wie hast du denn den Heizpilz hier hoch bekommen?«
    Und noch während ich mir verzweifelt überlege, wie ich den Heizpilz hier hoch bekommen haben soll, zieht Biene mich ins Wohnzimmer, vorbei an einem großen Blumenstrauß auf die Dachterrasse, wo ein großer, weißer Heizpilz steht mit einer roten Schleife drum.
    Ich verstehe gar nichts mehr.
    »Wie ... war der Flug?«, frage ich Biene, einfach nur um irgendetwas zu sagen, während sich das Gewitter in meinem Kopf legt.
    »Okay. Sardinenbüchse halt, wenn man Economy fliegt!«
    Ich schiele ins Wohnzimmer und entdecke einen großen, braunen Umschlag.
    »Ach ... der ist für dich, Mausbär. Coca-Cola steht drauf.«
    Während Biene den Bambus auf der Terrasse kontrolliert, reiße ich den braunen Umschlag auf. Drinnen steckt die gesamte Post der Woche, mein Abschiedsbrief an Biene und einer von Arne an mich.
    »War stark, der Sturm?«, fragt mich Biene von draußen.
    »Ach. Kannste vergessen«, antworte ich abwesend, lasse meinen Abschiedsbrief verschwinden und lege Bienes Post in das oberste Küchenregal.
    »Stell' dir vor«, ruft sie herein, »Checko hat seine Autoschlüssel auf Mallorca liegen lassen und wir mussten uns zwei Taxen nehmen! Fast hundert Euro zusammen!«
    »So ein Schussel!«, rufe ich zurück und lasse mich mit Arnes Brief langsam in unsere Couch gleiten.
    »Und du musst mir gleich ganz viel erzählen über deine Woche, Mausbär!«
    »Ja ...«
    »Hab ich gar keine Post bekommen?«
    »Auf dem Küchenschrank!«
    Aufgeregt öffne ich Arnes Brief.
    BAMBERG, 27 7., 5 UHR 34 (!) Pitschi, mein Gutster!
    Ja, ich habe den AB noch abgehört. Nein, Biggy ist nicht besonders gut auf dich zu sprechen.
    Willkommen zurück! Wie unspektakulär so eine Flucht doch ist, oder? Da träumst du dein ganzes Leben lang von Freiheit, dann kommt der Tag, der die Freiheit bringen soll, trippeltrappel, er kommt einfach so wie jeder andere Tag auch und dann ist er wieder weg, als hätte es ihn nie gegeben. Und wie schnell
    alles geht: Abschiedsbrief schreiben, abhauen, ein bisschen auf die Kacke hauen, zurückfliegen ...
    Das war's? Davon hast du dein Leben lang geträumt? Ich glaube nicht. Und das ist auch gut so. Freu mich nämlich, mit dir auf der Terrasse zu sitzen und Seppelpeter's zu schlürfen. Wäre ganz schön einsam gewesen ohne dich. Und wenn du das nächste Mal abhaust, dann organisier es bitte selber, war jede Menge Arbeit hier alles geheim zu halten. Deinen Malle-Koffer, den die LTUgebracht hat, hab ich ausgepackt und in den Keller gestellt, die Klamotten sind im Schrank, Heizpilz hast du ja bestimmt gesehen. Das
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