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Resturlaub

Resturlaub

Titel: Resturlaub
Autoren: Tommy Jaud
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Poren kommt der Schweiß, meine geprellte Rippe tut höllisch weh. Mühevoll drehe ich meinen Körper. Das Fenster, das es irgendwann einmal hinter mir gegeben haben muss, besteht nun aus Stein: Bis auf einen kleinen Spalt ist es provisorisch zugemauert.
    »Mhhhh«, stöhne ich laut und blinzle mit den Augen.
    Ich will auf meine Uhr schauen, doch ich habe keine mehr.
    Ich taste nach meinem Portemonnaie. Es ist weg.
    Mit dem Mund öffne ich den Reißverschluss des Rucksacks.
    Der Reisepass ist auch weg.
    Als nach und nach all die lose in meinem Kopf umherschwimmenden Erinnerungsbruchstücke ineinander greifen, lautet mein ernüchterndes Ergebnis, dass ich entführt worden bin.
    Aber warum?
    Ich bin weder wichtig noch reich!
    Kurz habe ich Angst, Opfer der brasilianischen Organmafia geworden zu sein, doch bis auf die beiden Blutflecken auf meinem Hemdkragen gibt es keine Anzeichen dafür. Ich muss lachen: Das wär ja noch schöner, ein Biermanager ohne Leber!
    »Hallo?«, rufe ich und lausche, ob sich irgendetwas rührt.
    Nichts. Ich rufe noch einige Male lauter, doch es geschieht wieder nichts. Ich ziehe an meinen Fesseln, die sich aber deswegen nur fester zu schnüren scheinen.
    Und dann höre ich dieses Geräusch, das sich ganz leise steigert von einem kaum hörbaren, entfernten Zischen bis hin zu einem mächtigen sonoren Brummen. Schließlich donnert etwas über mich hinweg. Ganz ohne Zweifel sitze ich keinen Kilometer von einem Flughafen entfernt!
    Flughafen!
    Flughafen?
    Mit einem Ruck bin ich hellwach. Ich strample und ziehe wie verrückt an der Heizung.
    »Was soll die Scheiße, ihr Arschlöcher! Macht mich los!«, brülle ich. »Habt ihr gehört? Ihr sollt mich losmachen!«
    Ich trete und winde mich, ich boxe um mich und schreie mir die Lunge aus dem Leib mit dem einzigen Resultat, dass ich nach ein paar Minuten erschöpft mit dem Gesicht auf den Dielenboden krache, zurück in meine Ausgangsposition.
    Eine weitere Maschine röhrt über das Zimmer.
    Dann nimmt die Stille überhand.
    Ob es meine Maschine war?
    Ich weiß es nicht.
    »Bienchen summ? Immer schön herum?«, flüstere ich in das Schweigen hinein. Was gäbe ich jetzt nicht für einen schon am Vorabend gedeckten Frühstückstisch??! Für ein kühles Bier auf der Sandkerwa?!. Für eine Umarmung mit Biene.
    »Bienchen summ . «, nuschle ich schwach und mit den Tränen kommt ein eisenschwerer Schlaf.
    Es ist der Durst, der mich irgendwann aufwachen lässt. Wie lange ich geschlafen habe - keine Ahnung. Die Heizung pumpt noch immer mit voller Kraft, mein Gaumen fühlt sich an wie verklebtes Sandpapier. Unter Schmerzen richte ich mich auf, öffne und schließe ein paar Mal die Augen und strecke mich, so gut es geht.
    Und dann entdecke ich das schier Unfassbare. Eine gute Minute starre ich auf die andere Seite des Raumes, während mein Hirn versucht, Dinge, die nicht zusammenpassen, zu verbinden.
    »Des gibt's doch net!«, sage ich laut.
    Dort, in einem schmutzigen Stahlregal, zwischen einem alten Bügeleisen und einigen gebrauchten Farbdosen, steht eine volle Flasche Seppelpeter's Spezial's.
    Die Rache der Ente?
    Eine von Seppelpeter persönlich entsandte Truppe Schnitzel-nazi's?
    Oder etwa Biene?
    Nichts von alledem macht Sinn. Statt mit einem weiteren, sinnlosen Wutanfall wichtige Energie zu vergeuden, überlege ich mir, wie ich mich befreien könnte. An scharfe Gegenstände komme ich nicht heran und bevor ich das Seil durchgerieben habe, bin ich wahrscheinlich verdurstet. Ich denke nach und denke nach und schließlich habe ich eine Idee.
    Wenn ich das Seil nicht von der Heizung kriege, muss ich die Heizung eben von der Wand kriegen! Marode genug sieht sie aus und da ich nicht an den Rillen gefesselt bin, sondern am Zuleitungsrohr, könnte ich ja vielleicht versuchen, es aus dem Boden zu stemmen.
    Ich zähle bis drei und mit aller Kraft drücke ich mich und das Rohr nach oben. Es bewegt sich keinen Millimeter. Ich versuche es ein weiteres Mal mit noch mehr Kraft. Nichts. Ich reiße das Rohr nach links und nach rechts. Gar nichts.
    Kurz vor dem Ende meiner Kräfte sehe ich, dass das Rohr mit einer Art Schraubring am Boden befestigt ist, in dem eine einzige, locker sitzende Kreuzschlitzschraube steckt. Langsam lasse ich mich nach unten gleiten und drehe die Schraube heraus. Und tatsächlich: Der Eisenring ist zwar ziemlich heiß, lässt sich aber problemlos bewegen. Als ich ihn ganz nach oben gedreht habe, hebe ich vorsichtig das Zuleitungsrohr an und ...
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