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Resturlaub

Resturlaub

Titel: Resturlaub
Autoren: Tommy Jaud
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aus ...«, sage ich, zunächst noch ruhig und beherrscht, bevor ich schreie, »ALS HÄTTE ICH NOCH KEINS!«
    »Stimmt. Tschuldigung!«
    Mit quietschenden Reifen parken wir quer vor dem Internationalen Terminal.
    Zusammen stürzen wir aus dem Wagen und rennen auf die rotgelben Iberia-Counter zu. Meine Rippe schmerzt beim Rennen, weil der Seppelpeter's-Rucksack immer wieder dagegen schlägt.
    »Frag du, ob es noch Platz gibt«, keuche ich.
    »Okay! Und das Ticket geht natürlich auf mich. Schmerzensgeld, sozusagen!«
    Hundert Meter weiter sitzt eine junge Frau hinter einem weißen Tresen. Sie trägt viel Make-up, wahrscheinlich Einstellungsvoraussetzung bei Iberia. Ihr von belangloser Flughafenmusik begleitetes Lächeln wirkt leicht arrogant.
    »jHola, hay todavia sitio en el avion para Madrid?«, japst Alex für mich.
    »Cuantas personas?«, fragt die Frau mit dem Make-up.
    »Solo una!«
    Ich halte vor Aufregung die Luft an, während die überschminkte Angestellte irgendwelche Sachen in ihr System tippt. Sie tippt und tippt, schaut skeptisch auf den Bildschirm und ruft schließlich sogar eine Kollegin an. Das Rattern der Tastatur, der Anruf, die Blicke, all dies kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Und ich atme erst wieder aus, als mich die Frau mit dem Make-up anlächelt und sagt: »Si!«
    Eine unglaubliche Last fällt von mir ab, als ich eine Stunde später in meinen Sitz der Maschine nach Madrid falle. In der Innentasche meiner Winterjacke entdecke ich das Notizbuch mit meiner To-Do-Liste. Zuerst muss ich schmunzeln über die Dinge, die ich mir vorgenommen habe. Die argentinischen Nachtische zum Beispiel verstehe ich immer noch nicht. Ich frage eine Stewardess nach einem Stift, streiche die alten Punkte durch und beginne eine neue Seite:
    Der echte Pitschi TO DO
    1. Mit Biene einen Schritt weitergehen
    Als wir abheben, schlage ich das Notizbuch zu und falle in einen 3786 km langen Schlaf.
    Die Kabinenbeleuchtung ist abgeschaltet, als ich irgendwann in der Nacht aufwache und auf Socken den Gang entlang nach vorne gehe, um mir einen Becher Wasser zu holen. Auf den ausgeklappten Monitoren läuft der mir inzwischen bekannte Abspann von Ice Age 2. Als die letzten Namen durchgelaufen sind, schaltet das System um auf den blauen Bildschirm mit den Landkarten und der aktuellen Position des Flugzeuges. Wir sind direkt über dem Atlantik. Was mich allerdings stutzig macht, ist die Uhrzeit, die Sekunden danach neben UHRZEIT AM ANKUNFTSORT erscheint: 11:20 Uhr steht dort. Es ist eine sehr böse Vorahnung, die da ganz still und leise in mein Gehirn krabbelt: Denn wenn ich insgesamt zwölf Stunden fliege, um 22 Uhr 30 abgeflogen bin, aber um 14 Uhr noch was in Madrid lande, dann . Hastig laufe ich zurück zu meinem Sitzplatz und suche nach meinem Ticket. Als ich die Daten lese, bricht mir der kalte Schweiß aus.
    DIA + 1 steht da neben meiner Ankunftszeit und das bedeutet nichts anderes, als dass ich nicht am Dienstag, sondern am Mittwoch in Nürnberg ankomme und dass ich natürlich keinen Tag mehr habe, um das Nötigste zu richten. 21 Uhr 10 steht auf meinem Ausdruck als geplante Ankunftszeit in Nürnberg. Auf die Minute genau zur gleichen Zeit wie Biene!
    Jetzt und schnell
    DIE RESTLICHEN STUNDEN in der Maschine nach Madrid, das endlose Warten beim Umsteigen nach Zürich und Nürnberg, es war die reinste Hölle! Noch über dem Atlantik habe ich Checko von einem Satellitentelefon auf die Mailbox gefleht, er möge beim Heimfahren von Flughafen nach Bamberg irgendeine Panne vortäuschen mit seinem Chrysler. In Madrid, ich konnte kaum noch stehen vor Erschöpfung, habe ich mich bei Sixt und Hertz darüber aufklären lassen, dass sie nach Interkontinentalflügen keine Leihwagen herausrücken, schon gar nicht an stinkende Typen in blutigen Hemden. In Zürich wollten sie mich dann fast nicht durch die Kontrolle lassen, weil ein Drogenhund auf mein Hemd ansprang. Nur mit Glück konnte ich intensiveren und womöglich schmerzhaften Untersuchungen entgehen.
    Und schließlich ist es kurz nach 18 Uhr, als ich meine wunden Füße wieder auf fränkischen Boden setze. Die deutsche Passkontrolle läuft glatt und zum ersten Mal sehe ich Licht am Ende des Tunnels. Mit meiner errechneten viertel Stunde Vorsprung könnte ich zumindest den Brief aus dem Briefkasten nehmen, die Fenster aufreißen und das Bett durcheinander bringen. Keine hundert Meter mehr bin ich vom Taxistand entfernt und fast will sich schon ein Lächeln in mein übermüdetes
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