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Wer bist du, schöne Juno

Wer bist du, schöne Juno

Titel: Wer bist du, schöne Juno
Autoren: Stephanie Laurens
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1. KAPITEL
    Finster die Stirn runzelnd, ein Zeichen, daß er ausgesprochen schlechter Stimmung war, ging Martin Willesden zu den im ersten Stock seiner Residenz gelegenen Gemächern seiner Mutter und entsann sich, daß beim siebten Regiment der Dragoon Guards, dem er als Major vorgestanden hatte, die Dragoner stets geäußert hatten, die steile Falte zwischen seinen Brauen sei ein böses Vorzeichen. Grimmig sagte er sich, daß er wahrlich allen Grund habe, wütend zu sein.
    Er war von den Bahamas nach London zurückgerufen worden, hatte auf das angenehme Dasein sowie eine der reizvollsten Geliebten seines Lebens verzichten und nach der Ankunft in London feststellen müssen, welch mühselige Aufgabe es sein würde, die finanzielle Lage der Familie wieder zufriedenstellend in Ordnung zu bringen. Robert Matthews, der Seniorteilhaber der für die Willesdens tätigen Anwaltskanzlei, hatte ihm geschrieben, daß der Landsitz Eremitage sich in äußerst schlechtem Zustand befände und es dringend notwendig sei, die Angelegenheiten persönlich in die Hand zu nehmen. Martin hatte angenommen, diese Nachricht sei nur dazu bestimmt gewesen, ihn zu bewegen, unverzüglich nach England zurückzukehren, doch nun hielt er sich vor, er hätte wissen müssen, daß Robert Matthews nie übertrieb. Der Besitz hier in Somerset war noch heruntergekommener, als er sich vorgestellt hatte.
    Seit er eingetroffen war, hatte er das unvermeidliche Gespräch mit der Mutter mit dem Hinweis hinausgeschoben, er müsse sich zunächst mit den vordringlichsten Problemen vertraut machen. Mittlerweile hatte er eine Bestandsaufnahme gemacht, die notwendigen Entscheidungen getroffen und die Leitung aller Besitzungen fest in der Hand.
    Ärgerlich die Lippen zusammenpressend, starrte er auf die vergilbten Tapeten des Flures, die verschlissenen, stockfleckigen Portieren an den Fenstern und das nackte, nicht einmal gutpolierte Parkett des Flures. Selbst die Teppiche waren verschwunden! Unwirsch registrierte er auch diese Schäden und nahm sich vor, das gesamte Anwesen von Grund auf herrichten zu lassen, sollte er es je wieder aufsuchen oder gar länger denn einen Tag hier weilen. Die Verfallserscheinungen im Parterre waren schlimm genug, doch der Anblick hier oben spottete jeder Beschreibung.
    Die Mutter hatte den Haushalt stets terrorisiert, wie Martin sich erinnern konnte. Die einzigen, die sich nicht davon hatten behelligen lassen, waren er und der Vater gewesen. Den Gatten zu drangsalieren, hatte sie wohl nicht gewagt; er selbst war indes nicht von ihren Schikanen verschont geblieben. Seit dreizehn Jahren hatte er sie nicht mehr gesehen und entsann sich ihrer als einer kaltherzigen, berechnenden und stolzen Person, die ihm nie in mütterlicher Liebe zugetan gewesen war. Abgesehen von vielen Fragen, die ihm auf der Seele brannten, überlegte er unwillkürlich, in welchem Ausmaß sie für den desolaten Zustand des Landsitzes verantwortlich zu machen war und wie er mit ihr auskommen würde.
    Vor ihrem Boudoir angekommen, verhielt er den Schritt und klopfte an. Auf das Geheiß der Mutter betrat er den Salon, blieb hinter der Schwelle stehen und schaute die straff aufgerichtet in einem Sessel vor dem Fenster sitzende Mutter an. Sie sah abgehärmt aus; das Haar war grauer geworden, aber sie strahlte immer noch die steife Entschlossenheit aus, derer er sich so gut entsann. Die im Schoß verkrümmten knochigen Hände riefen ihm indes ins Gedächtnis zurück, was er über die Mutter gehört hatte: Sie verlasse kaum noch ihre Räume, hatte man ihm berichtet, da sie an starkem Rheuma leide.
    Zunächst hatte er ihr Verhalten als übersteigerte Reaktion auf eine nicht gewichtige Unpäßlichkeit zurückgeführt, doch nun erkannte er, daß sie tatsächlich gebrechlich geworden und bewegungsunfähig war. Mitleid wallte in ihm auf, denn vormals war sie eine temperamentvolle Frau gewesen, die das Leben genossen hatte.
    Plötzlich bemerkte er, daß sie ihn ansah, mit jenem eisigen, hochmütigen Blick, den er so gut kannte. Aus den grauen Augen sprach jedoch auch ein abwehrender, feindseliger Ausdruck, und er begriff, daß sie gewiß kein Mitgefühl von ihm wollte.
    Ungeachtet der Bestürzung, die er über ihre Verfassung empfand, zwang er sich zu einer reglosen Miene, schloß bedächtig die Tür und nahm, während er langsam zur Mutter ging, auch die Anwesenheit der Schwägerin zur Kenntnis.
    Ausdruckslos beobachtete Lady Catherine den dritten ihrer vier Söhne. Er war
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