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Heuchler

Heuchler

Titel: Heuchler
Autoren: Mark Franley
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    Nürnberger Abendblatt:

Dreizehnte Leiche gefunden – Polizei am Ende

Nach dem Fund des vermissten achtjährigen Jungen Thomas H., dessen Leichnam gestern am Ufer eines Stausees gefunden wurde, scheint die Polizei am Ende ihrer Möglichkeiten zu sein. Offenbar liegen auch bei den Ermittlern die Nerven blank, wie der Ausbruch des verantwortlichen Hauptkommissars Mike Köstner gegenüber unserer Reporterin zeigt. Der Leiter der Sonderkommission bezeichnete den Serienmörder als »einen völlig kranken Psychopathen ohne Eier in der Hose«.


»Das hast du wirklich gesagt?«, fragte Peter ungläubig und legte die zwei Tage alte Zeitung auf den Rücksitz des BMW.
»Hab ich!«, antwortete Mike mit einem Schmunzeln im Gesicht, fügte dann aber hinzu: »Allerdings in Rücksprache mit dem Chef. Wir wollten diesen Irren ein wenig reizen.«
Peter dachte einen Augenblick lang nach: »Hast du eigentlich nie Angst um deine Familie? Immerhin wirst du namentlich genannt.«
Ohne seinen Partner anzusehen, schüttelte Mike den Kopf: »Laut Statistik passiert es äußerst selten, dass sich ein Krimineller direkt gegen die Polizei wendet. Außerdem müsste ich diesen Job an den Nagel hängen, wenn ich solche Ängste hätte.«
Schweigend saßen sie eine Weile nebeneinander und starrten in die Dunkelheit hinaus.
»Glaubst du, er ist schon drin?«, fragte Peter ein wenig zu leise.
Mike löste seinen Blick von der Motte, die ohne Unterlass gegen die Windschutzscheibe flog und nicht begreifen konnte, warum sie nicht weiterkam. Im Restlicht der Straßenlaternen sah Peter noch fahler und ungesunder aus. Ein gräulicher Schimmer hatte sich auf das sonst so jugendliche Gesicht gelegt. Der Fall hatte jetzt schon mehr von ihnen gefordert, als viele ihrer Kollegen aushalten würden.
Er antwortete in normaler Lautstärke, was seinen Freund und Partner zusammenzucken ließ: »Laut der E-Mail, die Henrik abgefangen hat, hätte er bereits mit dem Jungen auftauchen müssen!«
»Henrik!«, äußerte Peter abfällig: »Ich hoffe, du hast dir diese E-Mail selbst angesehen! Henrik kann vielleicht ein Byte in seine Bestandteile zerlegen, aber von Menschen hat der keine Ahnung.«
Mike blickte seinen Kollegen strafend an: »Natürlich habe ich das, ich habe den Ausdruck sogar hier.« Nachdem er die dritte seiner vier Jackentaschen durchsucht hatte, zog er ein zusammengefaltetes Stück Papier hervor und entfaltete es.
»Zeig mal«, forderte Peter, worauf Mike ihm den Ausdruck herüberreichte. Das Handy als Lichtquelle nutzend, studierte Peter die wenigen Zeilen, stutzte, und las sie noch einmal. »Verdammt!«
Mike war mit einem Schlag hellwach. Er arbeitete seit fünf Jahren mit Peter zusammen, und es bedurfte kaum noch Worte zwischen den beiden. Sie hatten diesen gewissen Draht zueinander! Ein Umstand, der schon so manch brenzlige Situation gerettet hatte.
»Was ist los?«
»Von welchem Datum bist du ausgegangen?«, fragte Peter angespannt.
Mike sah ihn verständnislos an und deutete auf die Passage mit dem Datum: »Na von dem, das da steht! Vom 12.05.«
»Dann sind wir einen Tag zu spät!«, erwiderte Peter emotionslos.
»Würdest du mir bitte erklären, was los ist?« Mike wurde dieses Ratespiel langsam zu dumm.
Peter deutete auf die Kopfzeile der E-Mail: »Schau dir die Sendedaten an! Alle Angaben sind im amerikanischen Datumsformat. Es heißt also nicht 12.05.11, sondern 11.05.2012! Sonst hätte ja auch das Jahr nicht gestimmt!«
»Aber die Sendeangaben kommen doch vom E-Mail-Programm. Wie kommst du darauf, dass der Täter dieses Format auch in seinem Schreiben benutzt?«
Wieder deutete Peter auf das Papier, diesmal jedoch eine Zeile tiefer: »Wie du sehen kannst, ist der Empfänger ein Amerikaner und unser Täter ist Profi genug, dies zu berücksichtigen.«
Mike dachte einen Augenblick darüber nach, zog dann die Stabtaschenlampe aus der Halterung unter seinem Sitz und öffnete die Fahrertür.
»Los komm, wir gehen rein!«
Das alte Versandlager stand verlassen und trostlos vor ihnen. Nur aus der Ferne drangen ab und zu Motorengeräusche zu ihnen. Mike mochte die Zeit zwischen 3 und 4 Uhr morgens, wenn die Stadt eine Pause machte und sich eine ungewohnte Stille ausbreitete.
»Willst du Verstärkung anfordern?«, fragte Peter, während sie sich im Schatten des Nachbarhauses dem Industriebau näherten.
Mike schüttelte den Kopf: »Wir haben nur diese E-Mail. Sollte sich diese als Fake herausstellen, möchte ich nicht dafür
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