Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ravinia

Titel: Ravinia
Autoren: Thilo Corzilius
Vom Netzwerk:
werden mochte – aus einer jungen Schlüsselmacherin und einem jungen Wahrsager.
    Darüber hinaus gab es allerdings auch einen wirklichen Grund zum Feiern.
    Sie hatten in den letzten Tagen viel Zeit mit Vernehmungen durch das Kommissariat und den Stadtrat von Ravinia verbracht. Letztlich hatte sich auch Lord Hester den Fragen des Stadtrates gestellt. Er war äußerst erleichtert über den Ausgang der Geschichte gewesen, auch wenn er sich gegrämt hatte, ausgerechnet am Tage der unheimlichen Vorgänge auf dem Highgate Friedhof nach Cardiff verschwunden zu sein. Auf der Suche nach Antworten, woher Roland Winters Macht rührte, hatte er ein ehemaliges Anwesen der Familie Winter besucht und durchsucht. Jedoch erfolglos.
    Schließlich war auch Baltasar Quibbes’ Testament verlesen worden, und sämtlicher Besitz war auf Tom Truska übergegangen, der sich sprachlos seiner letzten gemeinsamen Momente mit Baltasar schämte, die in völliger Respektlosigkeit untergegangen waren. Das Einzige, was er noch hatte tun können, war, das Grab seines Meisters auszusuchen. Und so lag die Grabstätte des großen Schlüsselmachermeisters Baltasar Quibbes etwas abseits des Friedhofs, nahe dem Eichenhain, hinter dem der dunkle Fluss rauschte. Es war eine wundervolle Stelle für ein Grab. Umgeben von raschelnden Hagebuttensträuchern, ragte dort ein schlichter Grabstein aus grünem Marmor empor. Baltasars Name war darauf eingraviert sowie ein großer, wunderschöner Schlüssel. Die halbe Stadt, so schien es, war zu seinem Begräbnis erschienen, um Abschied von einem der berühmtesten Gesichter der Stadt zu nehmen. Und allerorts war sein Tod Thema der Stadtgespräche, hatte er doch im Laufe der Zeit so vielen Leuten einen Schlüssel nach Ravinia angefertigt.
    Am Ende hatte der Stadtrat Tom Truska vorstellig werden lassen und ihm aufgrund seiner Verdienste um das Wohl der Stadt und seiner außerordentlichen Begabungen die Meisterwürde verliehen. Ohne ihn ein weiteres Mal um die Ausstellung und Begutachtung seiner Uhr zu bitten.
    So gehörte Tom Truska nun endlich offiziell zu den Meistern von Ravinia, deren Können er nach Meinung vieler schon längst in den Schatten gestellt hatte.
    Später hatte er Lara für ein Gespräch auf die Hafenmauer von Lissabon eingeladen und ihr die Fortsetzung ihrer Lehre angeboten, die sie bei Baltasar Quibbes im Eifer des Gefechtes beendet hatte.
    Lara McLane hatte unter einer Bedingung akzeptiert, der Tom zähneknirschend zugestimmt hatte: Der Rabe Dexter durfte von nun an in Toms und Laras Wohnung ein- und ausgehen, wie er es für richtig erachtete. Lara hatte mit dem Vogel Freundschaft geschlossen, und außerdem hatte er sich mehr als verdient um die Gesellschaft der Menschen gemacht, die er so dringend derjenigen seiner gefiederten Artgenossen vorzog.
    So war auch beschlossen worden, dass Lara McLane ihr Zimmer in der Burg Ravinia weiter bewohnen durfte, während Henry McLane sich nach einer neuen Arbeit und einer neuen Wohnung umsehen musste. Doch Laras Auszug hatte er wie immer mit einem Schmunzeln zur Kenntnis genommen und angemerkt, dass mit manchen Wahrheiten auch das Erwachsenwerden unhaltbar Einzug in das eigene Leben halten musste.
    Was die Wahrheiten betraf, so gab es deren einige zu schlucken für Lara McLane. Doch sie war zuversichtlich, dass ihr Leben wieder ein Herbstregen werden würde, denn sie hatte Freunde. Seltsame, aber gute Freunde. Und mit den Freundschaftsbanden, die das Leben spinnt, lässt sich Zuversicht schöpfen und in große Waagschalen gießen, um damit alle Unsicherheiten auszugleichen und letztlich zu überwiegen.
    Bitter war die Erkenntnis gewesen, dass Elisabeth Joels Seele einen derartigen Schaden genommen hatte, sodass sie letztlich nur noch in stumme Apathie versank. In einen rettenden Strom aus wabernder Stille, die den Schmerz, aber auch die Überreste aller anderen Empfindungen mit sich fortriss. Ob sie nie wieder zu reden imstande war oder es schlichtweg nicht wollte, war am Ende gleichgültig, und so hatte man der gequälten Frau ohne ihre Gegenwehr ein neues Zuhause in der psychiatrischen Abteilung des Hospitals von Ravinia geschaffen. Die Finanzierung hatte der Stadtrat zugesichert.
    Dort im Hospital hatte schließlich auch Geneva die Wahrheit begreifen müssen – ihr Auge war verloren. So trug sie zum ersten Mal keinen Verband mehr, sondern eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher