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Ravinia

Titel: Ravinia
Autoren: Thilo Corzilius
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beantworten.«
    Er wandte sich wieder Lara zu, die Übelkeit verspürte, sobald sie in das irre Funkeln blickte, das in seinen Augen tanzte.
    Â»Was ich will, ist ganz einfach. Gerechtigkeit, liebe Lara. Nur Gerechtigkeit. Fünfzehn Jahre lang habe ich vegetiert, habe lediglich existiert. Deine Großmutter und ihre feinen Freunde haben mich zu einer Hölle auf Erden verdammt. Und jetzt erfahren sie Gerechtigkeit. Zwar könnte ich sie ebenfalls einer unendlich andauernden Qual ausliefern, aber sieh es als eine Art Gnade von mir an, dass ich sie auf der Stelle töte.«
    Â»Sie sind ein Feigling, Winter!«, warf Lara ihm entgegen. »Sie töten sie nur, weil Sie sich vor ihnen fürchten.«
    Â»Ah«, machte Winter. »Du bist nicht dumm, liebe Lara. Aber ich habe keine Angst. Nein. Nach dem, was sie mir angetan haben, gibt es nichts mehr, wovor ich mich zu fürchten brauche. Sagen wir einfach, ich möchte nicht, dass sie mir im Weg stehen.«
    Â»Pah. Spätestens Lord Hester wird Ihnen Einhalt gebieten.«
    Roland Winter streckte die Hand aus, als würde er nach etwas greifen. Ein Luftstrom erfasste Lara, umwirbelte ihre Hände und Füße und hob sie in die Luft, sodass sie aufrecht in der Luft hing, als Winter endlich direkt vor ihr stand.
    Der Sturm um sie tobte, als hätte er entschieden, die Welt besser heute als morgen untergehen zu lassen.
    Â»Du bist ganz schön frech, Lara McLane, das gefällt mir«, stellte er fest, während er Lara in ihrem Gefängnis aus Luft betrachtete. »Aber sei versichert, auch Lord Hester wird mich nicht aufhalten. Ich kenne Geheimnisse, die selbst dem Rabenlord Magenkrämpfe und Albträume bescheren würden, wüsste er, dass sie mir bekannt sind.«
    Das Brausen um sie herum schien eine unendliche Lautstärke anzunehmen.
    Â»Ich biete euch allen folgenden Handel an«, sagte Roland Winter schließlich, und es hörte sich tatsächlich so an, als würde er endlich auf den Punkt kommen. »Ihr habt die Ehre, in Zukunft für mich arbeiten zu dürfen. Ihr hättet alle einen gesicherten Stand und einige Privilegien.«
    Â»Und was ist, wenn wir ablehnen?«, fragte Geneva forsch.
    Â»Dann werdet ihr alle noch heute Nachmittag sterben«, verkündete Winter.
    Was Lara den vielleicht größten aller Schrecken an diesem Tag in die Glieder jagte, war die Tatsache, dass dies im Plauderton aus Winters Mund kam. Er sprach über das Töten wie über das Wetter oder über das Essen. Nein, das konnte nicht sein. Die alten Meister hatten in all ihren guten Absichten ein Monster erschaffen, ein Ungetüm, in dessen Rachen eine ganze Welt zu versinken drohte.
    Â»Gut, dann bin ich bereit«, sagte Geneva schlicht und zog ihr Schwert aus dem Köcher.
    Winter verdrehte genervt die Augen zum Himmel. Offenbar hatte er schon viel zu viel sinnloses Heldentum zu sehen bekommen.
    Â»Was wollen Sie denn mit dem Schwert gegen mich ausrichten?«, fragte Winter, wandte aber im gleichen Moment den Kopf zu Valerius, dem Verräter, der den Circle gemeinsam mit Ma’ Haraz ebenfalls umrundet hatte.
    Â»Valerius«, sagte er. »Sie gehört dir!«
    Â»Ich –«, begann Valerius.
    Â»Wolltest du etwas sagen?«, forschte Winter nach.
    Valerius schüttelte den Kopf und zog sein Schwert. Offenbar hatte auch er sich diesen Nachmittag anders vorgestellt.
    Â»Das hier«, meinte er – und Lara war erstaunt, wie wenig Entschlossenheit in der Stimme ihres Entführers und Peinigers mitschwang –, »tue ich nicht gerne.«
    Die Klingen blitzten auf und kreuzten sich, während Wasser von ihnen in alle Richtungen spritzte. Die beiden Nachtwächter wirbelten in einer Geschwindigkeit und mit einer Grazie umeinander, dass einem schwindelig werden konnte. Geneva, mit nur einem Auge, war klar im Nachteil. Und obwohl es nicht einfach war, den Kampf der beiden Waffenkünstler zu verfolgen, war jedem Beobachter schnell klar, wer hier den Kürzeren ziehen musste.
    Winter wandte den Blick wieder Lara zu.
    Â»Also?«, fuhr er fort, ohne weiter auf die beiden Kämpfenden zu achten. »Wie sieht es aus? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, obwohl es mir sehr in den Zeitplan passt, dass ich nun nicht mehr nach Edinburgh muss.«
    Â»Sie Monster!«, fauchte Tom. Seine Stimme wankte, suchte die Balance auf dem Drahtseil über dem gähnenden Abgrund der
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