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Ravinia

Titel: Ravinia
Autoren: Thilo Corzilius
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viel zu viele Einwohner und dementsprechend auch viel zu viele Tote hatte. Deshalb musste man neue Friedhöfe anlegen. Seitdem scheint sich der Friedhof irgendwie verselbstständigt zu haben.«
    Lara blickte sich um. Ja, das Chaos, mit dem die Gräber und alle weiteren Bauten den Friedhof bedeckten, schien ein gruseliges Eigenleben zu führen.
    Trying to get my mansions green after I’ve Grey Gardens seen, erklang leise die Stimme von Rufus Wainwright in Laras Kopf.
    Â»Woher weißt du das alles?«, wollte sie wissen.
    Geneva musste grinsen.
    Â»Ich war früher einmal sehr gerne Touristin in den großen Städten der Welt, weißt du. Dann wurde ich zu gut in meinem Job und irgendwie ein Workaholic. Tja, so ist das.«
    Vor ihnen tat sich ein gewaltiges Grabmal auf, die sogenannte Egyptian Avenue . Sie erinnerte stark an den Eingang zu einem alten Pharaonengrab. Links und rechts gab es mehrere etwa drei Meter hohe Säulen, die zur Zierde in die Mauern gemeißelt waren. Der Durchgang, den die Avenue bildete, hatte einen eigenen Torbogen, obwohl dahinter die Überdachung aussetzte.
    Langsam gingen sie den leicht ansteigenden Weg zwischen den Mauern des Grabmals hinauf, in das links und rechts von ihnen immer wieder steinerne Türen zu den Grabstätten eingelassen waren. So viele steinerne Gräber und Gruften … Lara schauderte. Sie wollte sich freuen, als sie das obere Ende des aufsteigenden Gräberpfades erreicht hatten, jedoch musste sie feststellen, dass der Gräbergang jetzt einen Kreis um eine gewaltige Mitte beschrieb, den Circle of Lebanon, in den weitere Gräber hinter mächtigen steinernen Türen eingelassen waren.
    Plötzlich blieb Tom stehen und hob den Blick. Dort oben am Rand des Circle of Lebanon, oben auf dem mächtigen steinernen Kranz, der die Mausoleen in der Mitte umgab, kniete eine alte Frau in Gärtnerkleidung und hantierte an einem Strauch herum. Offenbar hatte sie die Ankommenden nicht gehört, denn sie zeigte keinerlei Reaktion.
    Jetzt war es Baltasar, der die Führung übernahm und sie durch das Tor auf der gegenüberliegenden Seite aus dem unheimlichen Totenkreis hinausbrachte, wo eine Treppe sie nach oben führte.
    Von dort war der Anblick beinahe noch grotesker, als er von unten gewesen war. Der Circle wirkte von hier aus eher wie ein in den Boden eingelassener Ring als ein Gräbermonument; so hatte er nur von der anderen Seite gewirkt.
    Hunderte Grabsteine waren in einem Kreis von vielleicht zwanzig Metern auf eine Mitte hin ausgerichtet. Der Circle of Lebanon verlief wie ein Graben um das riesige, runde Mausoleum im Zentrum, das oben flach und mit Gras überwuchert war. In der Mitte des Mausoleumsdachs stand eine einzelne, mächtige Zeder.
    Beinahe wirkte es wie ein abstruses Amphitheater, in dem Hunderte von Grabsteinen als Zuschauer dem breiten Baum in ihrer Mitte huldigten.
    Und dann war dort noch die alte Frau, die in aller Seelenruhe einem überwuchernden Busch mit einer Heckenschere zu Leibe rückte. Sie hatte die Gruppe immer noch nicht bemerkt, als ihr auf einmal eine Windböe den Strohhut vom Kopf wehte und diesen direkt vor Baltasars Füßen landen ließ. Er bückte sich und hob ihn auf.
    Die Blicke der Frau waren ihrem Hut gefolgt, und ihre Augen weiteten sich, als sie sah, wer den Hut in den Händen hielt.
    Â»Du?«, fragte sie erstaunt, aber offensichtlich wenig erfreut. »Was suchst du hier?«
    Sie stand auf und klopfte sich den Schmutz von der Hose.
    Â»Ich …«, offenbar wusste Baltasar nicht so richtig, was er sagen sollte.
    Lara kam ihm zuvor.
    Â»Bist du wirklich meine Großmutter?«, fragte sie mit heftig klopfendem Herzen.
    Stirnrunzelnd sah die alte Frau ihr ins Gesicht. Da war keine Wärme, keine Wiedersehensfreude, nichts, was einer Großmutter ins Gesicht geschrieben stehen sollte. Dabei war es ein Gesicht, das einer Großmutter sicherlich gut hätte stehen können. Zwar waren die Falten des Alters nicht an ihr vorübergegangen, jedoch konnte man mühelos erahnen, dass auch sie einmal eine blendende Schönheit gewesen war.
    Â»Lara McLane, ja?«, vergewisserte sich die alte Frau.
    Lara nickte.
    Die alte Frau in der Gärtnergarderobe sagte daraufhin nur: »Nein, ich bin nicht deine Großmutter. Bekomme ich jetzt bitte meinen Hut wieder, Baltasar?«
    Sie überwand die drei Schritte, die sie trennten, und riss ihm in einer
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