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Raus aus dem Schneckenhaus

Raus aus dem Schneckenhaus

Titel: Raus aus dem Schneckenhaus
Autoren: Hans Morschitzky , Thomas Hartl
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derselbe wie bei jeder anderen Angst: die Unfähigkeit, eine gewisse Unsicherheit und ein minimales Restrisiko ertragen zu können und gleichzeitig seine Ziele ohne Vermeidungsverhalten und ohne übertriebene Absicherungsstrategien zu verfolgen.
    Menschen mit sozialen Ängsten leben geistig nicht in der Gegenwart. Sie verweilen mit ihrer Aufmerksamkeit nicht im Hier und Jetzt, nicht im Augenblick, sondern leben innerlich ständig in der Zukunft, geplagt von Worst-Case-Szenarien. Bilder der Vergangenheit liefern immer wieder die Rechtfertigung dafür, dass auch in Zukunft Unheil drohen wird. Entsprechend einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung verhalten sie sich tatsächlich so, dass im Laufe der Zeit das eintritt, was sie schon immer gefürchtet haben: die kritische Bewertung der eigenen Person.
Vier Formen sozialer Ängste: Angst vor Beobachtung, Beurteilung, Selbstbehauptung und Kontakt
    Soziale Ängste umfassen im Wesentlichen vier große Gruppen: Beobachtungsängste, Beurteilungsängste, Selbstbehauptungsängste und Kontaktängste. Beobachtungs- und Beurteilungsängste kann man unter der Kategorie Leistungsängste , Selbstbehauptungs- und Kontaktängste unter der Kategorie Beziehungsängste zusammenfassen.
Beobachtungsängste – Angst vor den Blicken anderer Menschen
    Irritiert es Sie, wenn Sie sich bei Tätigkeiten, aber auch beim Nichtstun von anderen beobachtet fühlen? Haben Sie das Gefühl, ständig unter kritischer Beobachtung zu stehen, obwohl Sie wissen, dass Sie nicht paranoid sind? Menschen mit Beobachtungsängsten fühlen sich in Situationen angestarrt, in denen sie simple Routinehandlungen ausführen. Sie erleben sich unfreiwillig neugierigen Blicken ausgeliefert. Die Betroffenen sind nicht in der Lage, sich unter Beobachtung spontan zu verhalten; sie können bei alltäglichen Verrichtungen nicht mehr ungezwungen handeln und sich nicht mehr so geben, wie ihnen gerade zumute ist. Das Grundproblem lautet: Unangenehme Fremdbeobachtung führt zu störender Selbstbeobachtung .
    Der Blick eines anderen Menschen kann – ähnlich wie in der Tierwelt – bedrohliche Überlegenheit, Aggression oder Dominanz signalisieren, aber auch provokante Zudringlichkeit mit übermäßiger Nähe und unpassender Intimität. Die Augen der anderen können wie eine Überwachungskamera wirken, der man nicht entkommen kann. Sich bei bestimmten Tätigkeiten beobachtet zu fühlen, löst ein derartiges Unbehagen aus, dass diese Situationen häufig vermieden werden. Beobachtungsstress kann etwa erzeugt werden durch: öffentliches Essen, Trinken, Schreiben, Tanzen, Küssen, Telefonieren, Urinieren; bestimmte Arbeiten und Freizeitaktivitäten ohne Leistungscharakter, wie: im Mittelpunkt einer Ehrung oder Feier stehen, Liegen auf einem Badeplatz, Gegenübersitzen in öffentlichen Verkehrsmitteln, gemeinsam mit anderen im Aufzug Fahren, Vorbeigehen an einer Personengruppe oder Betreten eines Raumes, in dem bereits andere Menschen sind, die einen beobachten könnten. Es handelt sich um Mittelpunktsängste ohne jede Leistungsbeurteilung .
    Das können Sie sich nicht vorstellen? Dann fühlen Sie sich in die Betroffenen hinein: Sie liegen an einem FKK-Strand, ein bekleideter Badegast geht durch die Reihen und schießt Fotos. Falls Ihnen unwohl zumute ist: Wo ist das Problem, wenn Sie als Nudistin zu Ihrer Nacktheit stehen? Sie haben wohl Angst davor, dass ein Unbeteiligter durch seine Blicke im wahrsten Sinne des Wortes Macht über Sie bekommt, ohne dass Sie ihn ebenfalls nackt sehen können (obwohl Sie daran gar nicht interessiert sind). Vor allem haben Sie vermutlich auch Angst davor, dass der Beobachter Fotos über Sie speichern könnte, auch wenn Sie gerade nichts Peinliches tun. Selbst bildhübsche Frauen, die stolz auf ihre Figur sind, lassen sich nicht von jedermann fotografieren, weil sie keine Kontrolle darüber haben, was mit den Bildern passieren wird.
    Diese Erfahrung kennt jeder: Sie unterhalten sich angeregt mit einem Freund, auf einmal setzt sich eine dritte, Ihnen durchaus vertraute Person dazu und hört Ihnen zu, ohne sich einzumischen, und plötzlich fühlen Sie sich unwohl. Oder Sie beenden als langsamste Esserin in Gesellschaft vorzeitig die Mahlzeit, weil Sie unter Beobachtung nichtweiteressen können. Was ist in diesen Situationen störend, wenn Sie gar keine Kritik fürchten, weil die anderen gute Bekannte sind? Es passiert nicht mehr als dies: Die Spontaneität des Verhaltens ist dahin, sobald Sie sich beobachtet
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