Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raus aus dem Schneckenhaus

Raus aus dem Schneckenhaus

Titel: Raus aus dem Schneckenhaus
Autoren: Hans Morschitzky , Thomas Hartl
Vom Netzwerk:
macht« trifft nur auf einen kleinen Teil der Schüchternen zu. Die meisten schüchternen Menschen werden keine behandlungsbedürftigen Sozialphobiker; sie bleiben entweder das, was sie schon immer waren, nämlich »normal bzw. situationsabhängig schüchtern«, oder sie verlieren im Laufe ihres Lebens durch Selbsterziehung und positive Umwelterfahrungen die Schüchternheit des Kindes- und Jugendalters. Nur 36 Prozent der extrem Schüchternen und nur 4 Prozent der »normal« Schüchternen entwickeln später eine generalisierte Sozialphobie. Unter schüchternen Studenten erfüllten nur gut 17 Prozent die Kriterien für eine soziale Phobie. Nach einer großen amerikanischen Bevölkerungsbefragung bekamen von jenen Personen, die in der Kindheit extrem schüchtern waren, nur 28 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer eine soziale Phobie. Umgekehrt waren nur 51 Prozent der Frauen und 41 Prozent der Männer mit einer generalisierten Sozialphobie als Kind extrem schüchtern. Rund 50 Prozent der Menschen mit einer sozialen Phobie waren nach eigener Aussage im Kindes- und Jugendalter überhaupt nicht schüchtern.
    Soziale Ängste zeigen sich auf den vier Ebenen menschlichen Verhaltens, und zwar in Form typischer Denkmuster, Gefühle, Verhaltensweisen und Körpersymptome. Die verschiedenen Aspekte beeinflussen sich wechselseitig. Die Art des Denkens beeinflusst das sichtbare Verhalten und die Gefühlslage. Die Art der Gefühle bewirkt eine bestimmte körperliche Befindlichkeit, die körperliche Symptomatik wiederum begünstigt bestimmte Denkmuster und Verhaltensweisen, genauso wie verschiedene Verhaltensweisen wiederum bestimmte Denkmuster verstärken. Aufgrund der Verflochtenheit der verschiedenen Aspekte sozialer Angst fällt es oft gar nicht so leicht, den Ausgangspunkt der Angst zu erfassen.
    Drei Aspekte sprechen dafür, belastende Formen von Schüchternheit als Varianten sozialer Ängste zu betrachten:
Anhaltende körperliche Erregung . Unvertraute oder unsichere soziale Situationen lösen bei erheblich Schüchternen eine starke körperliche Aktivierung aus, wie sie bei Ängsten typisch ist: Herzrasen, Blutdrucksteigerung, Beklemmungsgefühle, muskuläre Anspannung und viele andere Vorgänge. Das ist ganz normal, denn der Körper reagiert so, um sich auf Sicherheit hin zu orientieren. Je länger jedoch die körperliche Anspannung und das seelische Unbehagen anhalten, desto mehr geht Schüchternheit in soziale Angst über. Wenn Schüchterne zudem nicht nur in unvertrauten Situationen, sondern auch in vertrauten Kontakten mit den engsten Angehörigen, Schul- oder Arbeitskolleginnen körperliches und seelisches Unbehagen verspüren, hängt dies häufig mit Ablehnungserfahrungen, entsprechenden Erwartungsängsten und bestimmten Angst machenden Denkmustern zusammen.
Negative Denkmuster . Abwertende Gedanken über sich selbst und Befürchtungen, wie die Umwelt reagieren könnte, steigern die Angst. Je mehr das Bedrohungsgefühl durch die eigenen Gedanken verstärkt wird, desto größer werden die sozialen Befürchtungen. Schüchternheit geht umso stärker in soziale Angst über, je geringer das Selbstwertgefühl ist. Die Furcht vor sozialer Ablehnung steigt mit dem Ausmaß der Überzeugung, Anerkennung gar nicht zu verdienen.
Sicherheitsverhalten . Erheblich Schüchterne setzen verschiedene Strategien mit dem Ziel ein, möglichst unauffällig zu bleiben, um Blamage, Kritik und Ablehnung zu vermeiden. Die ständige Selbstbeobachtung verhindert jede Spontaneität im Umgang mit anderen Menschen.
    Sozial ängstliche Menschen können in sozialen Situationen nicht handeln wie andere Menschen. Sie fühlen sich stets beobachtet und bewertetund möchten unbedingt einen guten Eindruck machen. Sie sehen sich ständig mit den Augen der anderen und beobachten sich selbst permanent mit dem Ziel, jedes peinliche Verhalten zu vermeiden.
    Der Kern ganz normaler sozialer Ängste besteht in folgendem Grundkonflikt: Die Betroffenen möchten bei anderen Menschen gut ankommen, glauben jedoch gleichzeitig, zu wenig dazu beitragen zu können. Die Umwelt soll jene Anerkennung vermitteln, die man sich selbst nicht geben kann. Die Unsicherheit sich selbst gegenüber zeigt sich in einer Unsicherheit anderen Menschen gegenüber. Anders formuliert lautet die zentrale Frage bei Menschen mit sozialen Ängsten: Wie kann ich erfolgreich handeln, ohne zu wissen, wie die anderen Menschen über mich denken? Der Ursprung der sozialen Angst ist letztlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher