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Raus aus dem Schneckenhaus

Raus aus dem Schneckenhaus

Titel: Raus aus dem Schneckenhaus
Autoren: Hans Morschitzky , Thomas Hartl
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die ab dem Ende des ersten Lebensjahres in unbekannten Situationen auftritt. Es handelt sich dabei um eine biologisch geprägte Scheu vor allem Neuen und Fremden, die in einer von anderen wahrnehmbaren körperlichen Erregung zum Ausdruck kommt. Unvertraute Menschen, aber auch unsichere Situationen und unbekannte Ereignisse lösen eine starke körperliche Aktivierung im Sinne einer Fluchtbereitschaft aus.
Eine ausgeprägte Verhaltensgehemmtheit gegenüber allem Unbekannten kommt in den ersten Lebensjahren bei etwa 10–15 Prozent der Kinder vor und stellt keinen Risikofaktor für die spätere Entwicklung einer sozialen Phobie dar, solange es keine negativen Lebenserfahrungen gibt, die die übermäßige Gehemmtheit verstärken. Erst eine ungünstige Wechselwirkung von Erbe und Umwelt kann folgenschwere Auswirkungen für bestimmte erheblich schüchterne Menschen haben. Dies bedeutet: Schüchternheit und Gehemmtheit allein führen nicht zur Entwicklung einer sozialen Angststörung.
Schüchternheit als Form der sozialen Angst . Diese Schüchternheitsvariante beruht auf der Angst vor kritischer Beurteilung und gilt als eine Form der sozialen Angst. Sie tritt frühestens ab dem 6. Lebensjahr auf, sobald die geistige Fähigkeit vorhanden ist, sich aus der Perspektive anderer Menschen wahrzunehmen. Sie erreicht zwischen dem 14. und 17. Lebensjahr durch bestimmte Denkmuster einen Höhepunkt und äußert sich dann in einer verschärften Selbstwahrnehmung und mangelnden Spontaneität. Die soziale Gehemmtheit, die oft mit einer körperlichen Erstarrung einhergeht, wird ausgelöst durch Fragen wie: »Was denken die anderen von mir?« »Werden sie mich kritisieren oder gar ablehnen?« Die reale Erfahrung von sozialer Zurückweisung durch bedeutsame Bezugspersonen wie Familienmitglieder oder Gleichaltrige führt dazu, dass neuerliche soziale Kritik angstvoll erwartet wird. Trotz des intensiven Wunsches nach sozialem Zusammensein besteht eine überängstliche Vorsicht, die in ständiger Beobachtung der eigenen Person und in anhaltender Beschäftigung mit den Gedanken sowie den gefürchteten ablehnenden Verhaltensweisen anderer zum Ausdruck kommt. Schüchternheit stellt in diesem Zusammenhang – ähnlich wie eine Phobie – den Versuch dar, Angst zu vermeiden, die durch zu rasche Nähe entstehen würde. Es ist vor allem diese im Laufe der Schulzeit und des Erwachsenenalters erworbene sozial ängstliche Schüchternheitsform, die die Entwicklung einer sozialen Phobie begünstigt, insbesondere, wenn sie zu der ersten Grundform von Schüchternheit, der konstitutionell bedingten Verhaltensgehemmtheit, hinzukommt.
Grundprobleme schüchterner Menschen
Schüchterne Menschen benötigen eine verlängerte Anlaufzeit und eine Vertrauen fördernde Aufwärmphase in sozialen Situationen. Sie brauchen länger als andere, sich an neue Menschen, Orte und Situationen zu gewöhnen. Als Folge davon haben sie das Bedürfnis, sich Schutzzonen zu schaffen, um nicht überfordert zu werden. Schüchterne dürfen sich in sozialen Situationen nicht selbst drängen undschon gar nicht von anderen zwingen lassen, rascher als möglich soziale Kontakte aufzunehmen. Wenn schüchterne Menschen genug Zeit haben, mit Fremden erst einmal »warm zu werden«, sich an neue Situationen zu »akklimatisieren« und das Unvertraute vertraut zu machen, können sie langsam »auftauen« und ihre soziale Gehemmtheit verlieren. Nach einer ausreichend langen Phase des Vertrautwerdens können schüchterne Menschen von sozialen Situationen viel mehr profitieren als sozialphobische Menschen, die durch ihre anhaltende Furcht vor negativer Beurteilung körperlich und seelisch weiterhin angespannt bleiben oder gar zur Flucht tendieren. Schüchterne neigen aus einem übermäßigen Sicherheitsbedürfnis zwar zum Festhalten am Bekannten und finden nicht so rasch neue Freunde wie andere Menschen; wenn sie jedoch das Wagnis des Ungewissen auf sich nehmen, haben sie durchaus Chancen auf einen guten sozialen Anschluss.
Schüchterne Menschen leiden unter einem Annäherung-Vermeidungs-Konflikt . Ihr Wunsch nach Annäherung und ihr Bedürfnis nach Vermeidung sind gleich stark ausgeprägt. Sie befinden sich in einem Dilemma: Sie sind einerseits kontaktorientiert, haben andererseits aber Angst vor dem Kontakt. Sie verharren im Abwägen der Möglichkeiten und Gefahren: Sie möchten gerne auf andere Menschen zugehen, aus Angst vor Verletzung, Kritik und Ablehnung vermeiden sie jedoch viele soziale
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