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Gefangen im Zwielicht

Gefangen im Zwielicht

Titel: Gefangen im Zwielicht
Autoren: Verena Rank
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Prolog
     
    Er stand im Schatten einer großen Eiche und beobachtete die Kinder bei ihrem Fußballspiel. Der Junge mit dem blonden Stoppelschnitt und dem fröhlichen Lachen war auch wieder da. Immer wieder huschte der Blick des Kleinen zu ihm herüber, aber nur seiner. Ein paar Mal musste er sogar zur Seite springen, damit ihn niemand über den Haufen rannte. Als wäre er unsichtbar. Obwohl der Junge nicht älter als elf oder zwölf Jahre alt sein konnte, wirkte er sehr erwachsen. Das Funkeln in seinen blauen Augen, wenn er auflachte. Das überlegte Spiel und wie er die anderen zur Ordnung rief, wenn sie herumalberten und nicht bei der Sache waren. Er stand in dem improvisierten Tor aus zwei am Boden liegenden Jacken und ging in Position. Als sich der Junge nach ihm umsah, riss er jedoch die Augen auf und rief etwas, das wie eine Warnung klang. Doch er konnte nichts verstehen. Panik stand im Gesicht des Kindes geschrieben, die auch ihn rasch ergriff. Das Fußballspiel war vergessen, als der Junge auf ihn zurannte und die Hand nach ihm ausstreckte.
    Er stand da, wie versteinert, als hielten ihn unsichtbare Arme mit Gewalt zurück. Da weinte der Junge. Heftige Schluchzer. Die Wangen waren gerötet, seine blauen Augen von Schmerz erfüllt. Er lief schneller und konnte ihn doch nicht erreichen.
    Und dann kam der Nebel. Eine dichte, dunkle Nebelwand die beide voneinander trennte und alles verschlang. Die Bäume, den Himmel und die Sonne. In ihrem letzten Strahl stand der Junge, die Arme um sich selbst geschlungen, als spürte er die Gefahr, die im Dunkeln lauerte.
    Auch er hatte Angst im Dunkeln. Immer schon. Ein Blitz zuckte durch die Nebelwand. Erst gleißend weiß, dann blau und schließlich blutrot, wenn sich das Licht im Rubin des Siegelringes brach, der für einen Moment über ihm schwebte. Ein goldener, auffälliger Siegelring, auf dem in goldenen Lettern ein „W“ eingraviert war. Und wieder gellte dieses Lachen durch den Nebel. Irre und triumphierend, manchmal sogar glücklich. Der Nebel wich unendlicher Finsternis, die ihn endgültig verschluckte.
     
    Er erwachte durch seinen Schrei und saß aufrecht im Bett. Sein Herz raste und die Lungen schmerzten unter seinen tiefen Atemzügen. Es war immer derselbe Traum und erneut ergriffen sie Besitz von ihm: Undefinierbare Gefühle der Sehnsucht und der Schmerz von Verlust. Er strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn, sein Blick fiel auf die kleine Lampe, die die ganze Nacht über brannte und den darunterstehenden Digitalwecker. Die grün leuchtenden Ziffern sprangen gerade auf 17:18 Uhr. Höchste Zeit, aufzustehen.

Kapitel 1
     
    Vater und ich saßen im Konferenzraum. Selten genug, dass wir beide bei einem Angebot dabei waren, aber dieser Zenker hatte nicht gerade das, was man einen guten Ruf nannte. Also beobachtete ich den Kerl ganz genau, schon vorhin, als er vor der Glastür innegehalten und den Knoten seiner Designerkrawatte zurechtgerückt hatte. Nun saß er uns gegenüber, und ich war gespannt, was der Typ zu sagen hatte. Er kämmte sich mit den Fingerspitzen durch das Haar, während er sich umsah. Sein Blick blieb einen Moment an Vaters Kommode hängen, die Augen halb geschlossen, wie ein Hai vor dem Angriff.
    „Das ist ein schönes Stück, das sie da stehen haben, Herr Bergmann. Ist das Teakholz?“, fragte er mit einem Dr.Best-Lächeln. Vater nickte.
    „Malaysia, Achtzehntes Jahrhundert. Zwei der Goldgriffe musste ich allerdings ersetzen lassen.“ Stolz schwang in seiner Stimme mit. Er hätte auch sagen können: „Ja, das bauchige Ding habe ich auf meiner Hochzeitsreise gekauft.“
    Ich konnte mich noch gut an den Urlaub erinnern. Es war der erste mit meiner Stiefmutter und auch einer der schönsten. Vater und Ines händchenhaltend am weißen Sandstrand, der Geruch des Meeres. Ich hörte fröhliches Kinderlachen und das Kreischen der Möwen, als wäre es erst gestern gewesen. Ich war acht Jahre alt und in diesen Wochen wohl das glücklichste Kind auf der Welt. Vielleicht wäre ich noch glücklicher gewesen, hätte ich nicht diese braune Badehose tragen müssen, auf der leuchtend gelbe Bananen abgebildet waren.
    Zenker räusperte sich und riss mich aus meinen schönen Erinnerungen.
    „Kommen wir zum geschäftlichen Teil. Ich möchte Sie nicht drängen, aber ich habe noch weitere Interessenten für das Haus. Ein solch lukratives Angebot bekommen Sie nicht alle Tage.“ Er entblößte seine weißen Zähne zu einem überfreundlichen Lächeln und
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