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Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Titel: Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
Autoren: Aufbau
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versagte ihr diese Fähigkeit den Dienst. Zuerst hatte sie der leere Carport stutzig gemacht, in dem eigentlich ihr Wagen stehen sollte. Und als sie so dasaß und auf das Chaos um sie herum starrte, hatte sie keine Ahnung, wo sie anfangen sollte. Darum blieb sie sitzen und begann nach einer Weile, mit dem Oberkörper langsam vor und zurück zu schaukeln. Genau wie er, Jonas, kam ihr in den Sinn. Sie wünschte sich, dass sie damit aufhören könnte, aber die Bewegung war das Einzige, was half, und in diesem Augenblick konnte sie ihn endlich verstehen. Dieses Verhalten, das sie immer verwundert und mitunter auch stark irritiert hatte, war seine Methode gewesen, das Leben auszuhalten.
    Diese Erkenntnis war fast nicht zu ertragen, sie zog die Beine hoch und krümmte sich zusammen, während die Tränen liefen. Minutenlang wurde ihr Körper von ihrem Schluchzen geschüttelt,Bilder flogen vorbei, und sie konnte nicht begreifen, wo diese Ohnmacht und das Schamgefühl herkamen. Es war doch nur ein Einbruch. Konnte so etwas diese Reaktion in ihr auslösen? Gehörte da so wenig dazu?
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Sie fragte sich, wo die Journalistin blieb, aber offensichtlich war auch sie verhindert worden. Dicte Svendsen. Sie war ein bekanntes Gesicht und gehörte zu jenen Journalisten, von denen es beinahe eine Ehre war, interviewt zu werden. Svendsen hatte einen guten Ruf, trotzdem konnte so etwas immer schiefgehen, und sie musste vorsichtig sein und versuchen, das Interview zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen. Dicte Svendsen war Kriminalreporterin, mit großem K. Aber ihr wurde auch ein großes soziales Engagement nachgesagt, sie beide müssten sich also eigentlich einiges zu sagen haben.
    Aber warum war sie noch nicht da?
    Sie griff nach ihrer Tasche auf dem Boden und holte ihr Handy heraus. Vielleicht hatte die Journalistin ihr eine Nachricht hinterlassen? Sie hatte ein paar SMS erhalten, jedoch keine von Dicte Svendsen. Deshalb rief sie bei der Polizei an, landete aber zunächst in der Zentrale und wurde erst nach vielen Umwegen, eine Sekunde bevor sie auflegen wollte, mit dem wachhabenden Beamten verbunden. Zu diesem Zeitpunkt war ihr schwindelig vor Wut. Sie brüllte der Person am anderen Ende der Leitung praktisch ins Ohr, dass sie eine vom Volk gewählte Politikerin und ziemlich sicher sei, dass sie Opfer eines politischen Anschlags hatte werden sollen. Sie wollte den Beamten ordentlich aufrütteln.
    »Sind bei ihnen Bomben explodiert?«, wollte der Wachhabende wissen.
    »Bomben?«
    Sie sah sich unsicher im Wohnzimmer um.
    »Das könnte man in gewisser Weise sagen, ja«, befand sie. »Es sieht aus, als hätte jemand eine Handgranate in mein Wohnzimmer geworfen. Und mein Auto steht nicht mehr im Carport.«
    »Wir kommen umgehend zu Ihnen«, sagte die Stimme im Hörer. »Verändern Sie bitte nichts. Wie war noch die Adresse?«
     
    Nachdem sie aufgelegt hatte, ging sie ins Badezimmer und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Sie starrte ihr Spiegelbild an und sah eine Frau mittleren Alters mit Panik im Blick. Schwarze und graue Haarsträhnen klebten auf ihrer Stirn, trotz des olivfarbenen Teints sah man, wie blass sie war, die Falten wirkten tiefer, und ihre Augen hatten die Farbe von Schlamm angenommen. Wovor hatte sie solche Angst? Sie war schließlich nicht die einzige Politikerin, der so etwas geschah. In einigen Fällen taucht die Polizei gar nicht erst auf, weil die Beamten überlastet und die Ressourcen zu begrenzt waren, sagten die Zuständigen. Sie selbst vertrat die Ansicht, dass die Ressourcen falsch eingesetzt wurden. Vor nicht allzu langer Zeit hatte zum Beispiel ein Ehepaar vergeblich um Hilfe gebeten, als die Party ihrer Tochter von einer Schlägergang heimgesucht wurde. Die Polizei kam erst gar nicht. Bürger zu sein war plötzlich zu einem Drahtseilakt ohne Sicherheitsnetz geworden. Das war eines ihrer Kernthemen. Die Gemeinde sollte ein Ort sein, an dem man sich sicher fühlt. Die Menschen sollten wieder vertrauen können, dass ihre Probleme ernst genommen und gelöst wurden: dass sie ohne Angst auf die Straße gehen, sich ihre Kinder in der Stadt bewegen konnten, ohne überfallen und beraubt zu werden; dass die unruhestiftenden Elemente und die Menschen, die keinen Respekt vor Mein und Dein hatten, unter Beobachtung gestellt und möglichst aus dem Straßenbild entfernt wurden. Aber nicht nur das. Der Wunsch nach Sicherheit sollte auch die Familie einbeziehen. Sie
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