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Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Titel: Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
Autoren: Aufbau
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KAPITEL 1
    »Ich bin schwanger.«
    Ida Marie ließ die Bombe platzen, nachdem Dicte den ersten Schluck Kaffee genommen hatte. Die Geräusche im Sallings Café wurden in den Hintergrund gedrängt, während sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen. Sie musste an Wagner denken und hatte Mitleid mit ihm. Sie bekam ein schlechtes Gewissen deswegen, aber dachte: Ein Glück, bin ich es nicht – und das alles in der einen Sekunde, bis sie aufrichtige Freude empfand. Die beiden hatten sich ein Kind gewünscht, zumindest hatte sich Ida Marie eines gewünscht.
    »Herzlichen Glückwunsch? Weiß er es schon?«
    Ida Marie lächelte.
    »Nein, noch nicht. Ich wollte den richtigen Zeitpunkt abwarten.«
    Dicte zwang sich zu einem Lächeln, das nur ein billiger Abklatsch von Ida Maries Strahlen war. Ida Maries Mann John Wagner war Polizist, sechsundfünfzig Jahre alt, und hatte zwei Kinder aus erster Ehe. Ida Marie hatte den sechsjährigen Martin mit in die Ehe gebracht. Sie war jetzt fünfundvierzig, nur ein Jahr jünger als Dicte. Dass die dafür Energie hatten!
    »Was ist mit dem Alter?«
    Am liebsten hätte sie sich die Zunge abgebissen, dass sie dieses Thema angesprochen hatte, aber Ida Marie missverstand ihre Frage, vielleicht auch mit Absicht.
    »Ich weiß schon. Es ist ein Risiko, und ich werde natürlich ein großes Screening und eine Fruchtwasserpunktion machen lassen.«
    Sogar aus diesen Worten war ihre Freude herauszuhören. Dicte konnte förmlich sehen, wie das Glück Ida Maries Gesicht zum Strahlen brachte, aus ihren Augen und jeder Pore strömte. Sie leuchtete und wirkte unsterblich in einer Menschenmenge,die ausgesprochen normal und vergänglich aussah. Ein unwillkommener und überwältigender Anflug von Neid überfiel sie: Wie konnte man so himmelhoch jauchzend und unbekümmert sein, mit einem solchen Gottvertrauen in die Zukunft ausgestattet, dass man bereit war, neues Leben zu schaffen. Glücklich zu sein.
    Ihr wurde bewusst, dass kein anderes Wort in ihr so ein Schamgefühl auslöste, wie »Glück« es tat, und als würde sie der blendenden Sonne ausweichen müssen, wandte sie den Kopf von Ida Marie ab und sah hinaus in die Fußgängerzone. Der Spätsommer lockte die Menschen auf die Straßen. Ihr fiel ein Mann mit Inlineskates auf, der einen Buggy vor sich herschob. Er überholte gerade einen anderen Passanten, der es offensichtlich auch eilig hatte und schnellen Schrittes zur Kreuzung hetzte. Er sah arabisch aus, hatte kurzes schwarzes Haar, einen halblangen Bart und trug einen schwarzen Jogginganzug, der viel zu warm schien für die Jahreszeit. Zumindest schwitzte er sehr, aber vielleicht war sein Rucksack auch besonders schwer. Er sah aus, als würde er damit eine längere Reise antreten. Zwei Jugendliche in Leggings und Minikleid drehten sich nach ihm um.
    »Wir müssen natürlich darüber sprechen, wie wir uns verhalten, wenn etwas mit dem Baby nicht stimmt!«, sagte Ida Marie.
    Sie ließ diese Möglichkeit oder vielmehr das Undenkbare dieser Möglichkeit zwischen ihnen in der Luft hängen. Eigentlich müsste Anne hier sitzen und sich mit Ida Marie unterhalten, dachte Dicte. Anne hätte als Hebamme genau gewusst, wie sie ihre Freundin gleichzeitig beruhigen und unterstützen konnte. Sie selbst spürte nur eine Panik in sich aufsteigen beim bloßen Gedanken an ein Kind. Ein gesundes war schon anstrengend genug – aber eines mit einer Behinderung?
    Sie sah Ida Marie an und fand, dass dieses Glück ihrer Freundin Immunität verlieh. Deshalb stellte sich nach den anfänglichen Schrecksekunden auch die Gewissheit ein, dass die Katastrophe nicht eintreffen werde. Es würde einfach nichtsschiefgehen. Das traf immer nur die anderen. Nicht einen selbst oder enge Freunde. War das nicht sowieso die Hauptregel, die das Leben erst erträglich machte?
    Ida Marie warf einen Blick auf ihre Uhr.
    »Ich muss los. Bist du dir sicher, dass du nicht mitkommen willst?«
    Dicte schüttelte den Kopf.
    »Die Lady war bis heute in Kopenhagen, deshalb konnte ich das Interview nicht verschieben.«
    »Wer war das noch gleich?«
    Ida Marie interessierte sich nicht besonders für Lokalpolitik.
    »Francesca Olsen. Bürgermeisterkandidatin. Grüß mir die Sonne. Vielleicht wäre euer Urlaub der richtige Zeitpunkt?«
    Ida erhob sich und gab Dicte einen Kuss.
    »Ja, vielleicht. Aber ich sage es ihm bestimmt noch vor Spanien.«
    John Wagner und sie wollten die Herbstferien zusammen mit den Kindern in Malaga verbringen, Dicte und Bo hatten
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