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Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Titel: Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
Autoren: Aufbau
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Griechenland ins Auge gefasst. Gegen alle guten Ratschläge, Hautkrebs zu vermeiden, hatten sich Dicte und Ida Marie entschlossen, vorher ein bisschen Sonne im Solarium zu tanken, damit sie sich nicht schon am ersten Ferientag verbrannten.
    »Viel Spaß beim Schwitzen!«
    Ida Marie warf sich ihre Tasche über die Schulter und verschwand im Kaufhausgewirr. Dicte hatte den Eindruck, dass sie ganz leicht aussah, als würde sie schweben. Sie blieb noch einen Augenblick am Tisch sitzen und ging ein letztes Mal die Fragen an Francesca Olsen durch. Die genoss in der Bevölkerung von Århus mittlerweile eine Art Heldenstatus, nachdem sie eine junge Frau vor einer Vergewaltigung in einem der düsteren Stadtteile bewahrt und dem Täter drei gebrochene Rippen beschert hatte. War Francesca Olsen so eine Art Batwoman von Århus? Die Frage war natürlich ein bisschen reißerisch und oberflächlich, aber ein guter Aufhänger, um mit ihr darüber zu sprechen, was sie als neues, konservatives Stadtoberhaupt in dieWege leiten würde, um die Kriminalität zu bekämpfen. Als Leiterin der Kriminalredaktion in der Zeitschrift
Avisen
und zuständige Redakteurin für die Sonderbeilage
Krimizone
beschloss sie, sich auf diesen Aspekt der Kandidatur zu konzentrieren.
    Zehn Minuten hatte sie dort gesessen, etwa fünfzehn Kernfragen ausgearbeitet und ein paar Artikel über Francesca Olsen gelesen. Sie war die ehrgeizige Tochter eines italienischen Gastwirtes und vor so vielen Jahren die Miss Århus gewesen, dass sich niemand mehr daran erinnern konnte. Der Vater hatte die Familie verlassen und war nach Italien zurückgekehrt, als Francesca Olsen zehn Jahre alt war. Später hatte sie dann den Mädchennamen ihrer Mutter angenommen und sich von dem italienischen di Marco zugunsten des etwas prosaischen Olsen verabschiedet.
    Dann überprüfte sie in ihrem Kalender zum zweiten Mal den vereinbarten Interviewtermin – Donnerstag, den 11. September um halb vier. Sie hatte gerade den Arm gehoben, um den letzten Schluck Kaffee zu trinken, als ein ohrenbetäubender Donner ihr fast die Tasse aus der Hand geschlagen hätte. An den Nachbartischen brach Panik aus.
    »Laaauf!«
    »Bloß raus hier!«
    »Nein, nicht da lang. HIER lang …«
    Hinterher konnte sie nicht mehr sagen, was zuerst gekommen war. Die Druckwelle, die in Schüben kommenden Stöße, die bebenden Mauern, die klirrenden Fenster, die tanzenden Tassen und Teller auf den Tischen und die Passanten auf der Straße, die sich in eine Menschenmasse verwandelten, die in ein- und dieselbe Richtung drängte. Oder die Detonation, der alles übertönende Donner, wie die Tonspur für einen Film über den Weltuntergang. Vielleicht hatte sich das auch alles gleichzeitig ereignet. Staunend verfolgte sie das Geschehen, setzte ihre Kaffeetasse ab, während ihr ein zartes »Huch« entwich, sie spürte es eher, als dass sie es hören konnte, denn in dem Lärm und inder sich ausbreitenden Panik versank jedes andere Geräusch: Die Leute stießen ihre Stühle um, flohen in die Fußgängerzone und schlossen sich der Menschenmasse an, die vom Zentrum der Explosion floh. Die meisten griffen nach ihren Taschen, ließen aber ihre Jacken hängen; sie stürzten davon mit Kleinkindern an den Händen, weinend und schreiend. Bomben. Terroranschlag. Es war eben nicht irgendein beliebiger Tag im Jahr.
    Sie empfand nichts. Sie wunderte sich nur über die Reaktionen um sie herum und darüber, dass sie als Einzige sitzen geblieben war. Schließlich stand sie auf, nahm ihre Jacke, steckte Stift und Notizblock in die Tasche, drängte sich hinaus in die Menschenmenge und versuchte, sich gegen den Strom zu bewegen. Das war nicht einfach. Sie wurde auch von dem Lemming-Reflex erfasst, der sie zwingen wollte, umzudrehen und den anderen zu folgen. Da sah sie die Staubwolke, die ihr von der Østergade entgegenkam, ihre Beine trugen sie immer näher und näher an den Ort des Geschehens, während sie versuchte, die schlimmsten Befürchtungen mit den Worten zu besänftigten: Das ist alles nicht wahr. Das passiert doch anderen, nicht mir. Das DARF einfach nicht wahr sein.
    Sie packte den Mantelärmel eines Passanten, der seine Aktenmappe fest unter den Arm geklemmt hatte und sich mit beherrschtem Gesichtsausdruck vom Unfallort entfernte. Seine Haare und Schultern waren mit weißem Staub bedeckt.
    »Wo ist die Explosion gewesen?«
    Kein Was und kein Warum. Das Was war augenscheinlich, und das Warum hatte im Moment keine Bedeutung.
    Der Mann
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