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Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Titel: Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
Autoren: Aufbau
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schüttelte den Kopf und sah aus, als wunderte er sich über das menschliche Vermögen, Dinge zu zerstören:
    »Das war ein Solarium«, sagte er, als würde er es selbst nicht glauben können. »Die haben tatsächlich ein Solarium in die Luft gesprengt. In der Hauptgeschäftszeit. Das gesamte Gebäude ist dabei fast eingestürzt.«
    Sie hatte seinen Arm festgehalten, jetzt ließ sie ihn los. Rannte los, kämpfte sich gegen den Strom, näher und immer näher andie Staubwolke heran. Die Straße war von weißem Staub bedeckt, sie stolperte über Steinbrocken und andere Gegenstände, die von der Druckwelle los- und mitgerissen worden waren: ein gelbes Sonderangebotsschild, ein Kleiderständer, bis zur Unkenntlichkeit verbogen, Fahrräder, die über den Boden geschlittert waren, und vereinzelte Kleidungsstücke auf zerbrochenen Bügeln. Begleitet wurde dieses Chaos von einem Chor aus Autoalarmanlagen. Und dann lag das Gebäude vor ihr, mit seiner aufgerissenen Fassade: ein großes, hohles und dunkles Loch, aus dem Stichflammen emporschossen, klaffte dort, wo sie noch vor einer Woche kichernd zusammen mit Ida Marie gelegen hatte, weil sie sich wie Hotdogs gefühlt hatten. Ida Marie mit den Meerjungfrauenhaaren und Augen so blau wie eine Lagune. Die unsterbliche Ida Marie, die gerade noch strahlend und glücklich vor ihr gesessen und ihr Geheimnis preisgegeben hatte.
    »Ida Marie. Ida Marie. IDA MARIE!!«
    Ihre Lippen formten den Namen, und ihre Lungen schrien ihn heraus, während ihre Beine sie immer näher zum Höllenschlund in der Fassade trugen, und so hatte jedes ihrer Körperteile eine Aufgabe zu erfüllen. Sie konnte kaum etwas sehen, der Staub und alles andere verklebten ihr die Augenlider, sie spürte auch ihren Körper nicht, der sich vorwärtskämpfte und über Haufen von dampfenden Steinbrocken stieg, bis sie nicht mehr weiterkam, weil jemand sie aufhielt und fest an sich drückte.
    »Du kannst da nicht rein, bist du verrückt?«
    Sie erkannte die Stimme und wusste doch nicht, wer da sprach. Sie hörte die sich nähernden Sirenen. Der Mann zog sie vom Gebäude fort.
    »Es könnte noch weitere Explosionen geben«, sagte er.
    »Bo?«
    »Hattest du heute nicht eine Verabredung im Solarium?«
    Sie spürte etwas Hartes an ihrer Brust. Es war die Kamera, die um seinen Hals hing. Er war selbstverständlich sofort von den Redaktionsräumen in der Frederiksgade losgerannt, als erdie Explosion gehört hatte. Die lagen nur drei Straßen entfernt. Bo, der Bombenhagel aus Bagdad und anderen Kriegsregionen der Welt gewohnt war.
    »Ich habe abgesagt.«
    »Du zitterst ja.«
    Er zitterte auch, aber sie sagte nichts.
    »Ida Marie …«
    Sie wollte sich aus seinem Griff befreien, aber es gelang ihr nicht, er hielt sie fest, und sie hasste ihn dafür, legte wimmernd ihren Kopf gegen seine Brust, aber er gab sie nicht frei.
    »Du musst das den Feuerwehrleuten überlassen«, sagte er, als der erste Löschzug in die Straße einbog. »Es könnte noch weitere Explosionen geben«, wiederholte er und flüsterte in ihr Haar: »Ich dachte, du bist da drin. Ich dachte verflucht noch mal, dass du da drin bist.«
    Sie legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihm hoch. So blass hatte sie ihn noch nie gesehen.
    Sie wollte was sagen, aber bevor sie die Lippen öffnen konnte, erschütterte Explosion Nummer zwei die Straße, und Bo warf sie zu Boden und sich schützend darüber.

KAPITEL 2
    Der Bus schlängelte sich durch die Landschaft, das viele Grün flog ihm entgegen. Er hatte davon geträumt. Er hatte sich vorgestellt, wie es sein würde, an der frischen Luft zu sein und die Farben zu sehen: die Hügel, die Wiesen, die Wälder.
    Er hatte sich aber auch gefragt, ob es vielleicht zu viel sein würde. Dass er so viel Grün gar nicht aushalten und die Natur ein klaustrophobisches Gefühl in ihm auslösen würde.
    Er lächelte, aber nur nach innen. Er hatte gelernt, nur nach innen zu lächeln.
    Aber es war nicht zu viel für ihn. Er konnte gar nicht genug davon bekommen und wartete ungeduldig auf den Moment, esalles wieder ganz in Besitz zu nehmen. Das Wetter kümmerte ihn nicht. Er würde schon klarkommen. Er war immer klargekommen.
    Der Bus bog von der Landstraße auf eine Seitenstraße ab. Sie fuhren durch kleinere Ortschaften, einige Fahrgäste stiegen aus, andere stiegen ein. Sie nickten ihm zu, als würden sie ihn kennen. Aber das taten sie nicht, oder aber sie hatten ein hervorragendes Gedächtnis.
    Nach etwa fünf Kilometern stand er auf und
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