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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf
Autoren: G Gasdanow
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betrüben könnte. Er setzte sich mir gegenüber und sagte:
    »Erkläre mir, warum du findest, ich sei nicht so gekleidet wie nötig.«
    Ich erklärte es ihm, so gut ich konnte. Er war sehr bekümmert. Und ich fügte hinzu:
    »Außerdem, allein daran, wie du gekleidet bist, wärst du sehr leicht zu erkennen. Jemand mit einschlägiger Erfahrung – du verstehst – braucht dich gar nicht von Angesicht zu kennen oder nach deinen Papieren zu fragen. Allein durch deinen Anzug, die Krawatte und die Ringe wüsste er, mit wem er es zu tun hat.«
    »Und mein Auto?«
    »Das ist ein Rennwagen. Wozu brauchst du den in der Stadt? Es gibt nur wenige davon, sie sind alle registriert. Nimm einen Durchschnittswagen von dunkler Farbe, den wird keiner beachten.«
    Er saß schweigend, den Kopf in die Hand gestützt.
    »Was hast du?«, fragte ich.
    »Es kommt mir hoch, wenn du so redest«, sagte er. »Ich begreife allmählich, was ich gar nicht begreifen sollte. Du sagst, die Bücher, die mir gefallen, sind schlechte Bücher. Du verstehst davon mehr als ich. Ich kann mit dir nicht von Gleich zu Gleich reden, weil ich keine Bildung habe. Ich bin ein minderwertiger Mensch, je suis un inférieur, das ist es. Und außerdem bin ich ein Bandit. Und die anderen Menschen stehen höher als ich.«
    Ich zuckte die Schultern. Er sah mich aufmerksam an und fragte:
    »Sag mir offen: Denkst du genauso wie ich?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Warum?«
    »Du bist natürlich ein Bandit«, sagte ich, »du kleidest dich nicht so, wie es sich vielleicht gehörte, und es mangelt dir an einer bestimmten Bildung. Das ist alles richtig. Aber wenn du meinst, irgendein bekannter Mann, von dem du in der Zeitung liest, ein Bankier, Minister, Senator, sei besser als du, so ist das ein Irrtum. Er arbeitet, und vor allem, er riskiert weniger. Man redet ihn als ›Herr Vorsitzender‹ oder ›Herr Minister‹ an. Er ist anders gekleidet, besser, und natürlich hat er eine gewisse Bildung, obwohl auch das längst nicht immer. Aber als Mensch ist er nicht besser als du, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich weiß nicht, ob dich das tröstet, aber meines Erachtens ist es so.«
    Pierrot liebte die Frauen sehr, und zu den meisten seiner »Abrechnungen«, die so tragisch endeten, war es wegen Frauen gekommen.
    »Kann sein, dass du ihretwegen eines Tages auch stirbst – peut-être bien, tu mourras par les femmes«, sagte ich zu ihm. »Und obendrein wegen Frauen, die es nicht wert sind.«
    Dies war unschwer vorauszusehen. Und dass nun, da ich im Taxi zum Büro von Jean fuhr, Pierrots Aufenthaltsort denen bekannt geworden war, die ihn am allerwenigsten wissen durften, auch das verdankte er einer Frau.
    Seine Lage war ausweglos. In letzter Zeit war er stürmisch aktiv geworden, ein Raub folgte dem anderen, und die Polizei hatte schließlich alle mobilisiert, von denen in seinem Fall irgendwelche Hilfe zu erwarten war. Die Frau, deretwegen alles geschah, war die Frau von Philippe, Pierrots Gehilfen. Philippe war ein Riese, regelrecht ein Herkules, und seinen eigenen Worten nach fürchtete er nichts und niemand auf der Welt außer seinem Patron, der dafür berühmt war, dass er nie danebenschoss.
    Diese Frau war unlängst Pierrots Geliebte geworden, und ich denke, dass Inspektor Jean ebendeshalb Philippe ein Geständnis abringen konnte. Ich hatte sie mehrfach gesehen. Kraft des unwandelbar schlechten Geschmacks, der dieses Milieu insgesamt auszeichnet, hatte sie den Spitznamen Pantherin bekommen. Sie hatte riesige, ungezähmte dunkelblaue Augen unter ebenso dunkelblauen Wimpern, drahtiges, gewelltes schwarzes Haar, das nie einer Frisur bedurfte, einen sehr großen Mund mit breiten, stets dick angemalten Lippen, einen kleinen Busen und einen geschmeidigen Körper – und niemals habe ich ein ungebärdigeres Geschöpf gesehen. Sie biss ihre Liebhaber bis aufs Blut, kreischte und kratzte, und niemand dürfte je gehört haben, dass sie mit ruhiger Stimme sprach. Vor rund drei Wochen hatte sie Philippe verlassen und war zu Pierrot gezogen – sie war es auch, die mir am Telefon geantwortet hatte, als ich in Sèvres anrief, bevor ich mich zu Inspektor Jean auf den Weg machte.
    Als ich in sein Büro trat, saß er auf dem Stuhl, den Hut im Nacken. Ihm gegenüber, die Ellbogen auf die Knie gelegt, saß Philippe in Handschellen. Sein Gesicht war bleich und schmutzig, mit Spuren von getrockneten Schweißbächen. Überhaupt ging starker Schweißgeruch von ihm aus, er war sehr beleibt, im
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