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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf
Autoren: G Gasdanow
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Raum war es stickig und heiß. Jean sagte zu ihm:
    »Für diesmal reicht es. Du hast gut daran getan, offen zu reden. Hättest du geschwiegen, gäbe ich keinen Sou mehr für deine Haut. Jetzt wirst du ein bisschen im Gefängnis sitzen, und damit hat es sich. Für einen Mann deiner Gesundheit ist das ein Klacks.«
    Ich schaute zu Philippe, er senkte die Augen. Zwei Polizeibeamte führten ihn hinaus.
    »Ich nehme an«, sagte Jean zu mir, »und wiege mich in der Hoffnung, dass Sie meine Annahme teilen… ich nehme an, dass Pierrot jetzt den Schlaf des Gerechten schläft. Wie gängige Redewendungen doch stets fiktiv sind! Unsere gemeinsamen Freunde haben mich angerufen, Sie wollten gerne mit uns fahren. Nicht wahr?«
    »Ja, mein Taxi wartet.«
    »Wir brechen in fünf Minuten auf.«
    Es war ungefähr sieben Uhr morgens, als das Polizeiauto einige Meter vor der kleinen Villa hielt, in der Pierrot wohnte. Die Fensterläden waren geschlossen. Die schon heiße Morgensonne beschien die schmale Straße. Zu dieser frühen Stunde war es sehr still.
    Ich ließ das Taxi hinter dem Polizeiwagen halten, stieg aus und schlug die Tür zu. Mich drückte schlaffe, lastende Schwermut nieder. Ich stellte mir Pierrot vor, wie er allein – denn auf die Hilfe seiner Geliebten durfte er natürlich nicht rechnen – in diesem verschlossenen und dunklen Haus saß, aus dem er nicht entkommen konnte. Aus dem niederen Seitenfenster konnte man zwar in das Gärtchen springen, das sich an das Haus anschloss, aber entlang des Gitters standen Polizisten. Eine Flucht war unter diesen Umständen nicht möglich.
    Die Polizisten waren zu sechst. Auf allen Gesichtern lag ein und derselbe Ausdruck, ein Gemisch aus Düsternis und Abscheu. Ich hatte das Gefühl, als würde mein Gesicht das gleiche ausdrücken.
    Einer der Polizisten klopfte an die Tür und rief, man solle aufmachen.
    »Gehen Sie zur Seite«, sagte Jean, »er könnte schießen.«
    Doch es folgte kein Schuss. Ich begann zu hoffen, Pierrot sei vielleicht rechtzeitig gewarnt worden. Nach den Worten des Inspektors trat gespannte Stille ein, dahinter spürte man in dem dunklen Haus die Anwesenheit des verborgenen Mannes mit der schrecklichen Pistole in der Hand. Seinen Ruf als guter Schütze kannten alle Polizisten.
    »Pierrot«, sagte Jean, »ich schlage dir vor, dich zu ergeben. Du würdest uns eine schwere Arbeit ersparen. Du weißt, dass du nicht entkommen kannst.«
    Keine Antwort. Noch eine Minute verging in qualvollem Schweigen.
    »Ich wiederhole, Pierrot«, sagte Jean, »ergib dich.«
    Da ertönte aus dieser Stille eine Stimme, bei deren ersten Lauten es mir kalt den Rücken hinunterlief. Es war die unfassbar ruhige und menschlich ausdrucksvolle Stimme von Pierrot, die ich so gut kannte und die mir jetzt besonders schrecklich erschien, denn in wenigen Minuten musste sie, wenn nicht ein Wunder geschah, für immer verstummen. Und dass in dieser Stimme die frische Kraft eines jungen und gesunden Menschen zu hören war, erschien mir unerträglich bedrückend.
    »Ist doch gleich«, sagte die Stimme. »Wenn ich mich ergebe, erwartet mich die Guillotine. Ich möchte anders sterben, je voudrais mourir autrement.«
    Was darauf folgte, geschah mit unglaublicher Schnelligkeit. Ich hörte, wie im Garten Zweige knackten, danach ertönte ein Schuss, und einer der Polizisten, die am Gitter standen, sackte schwer zu Boden. Ich sah, wie Pierrot sich auf das Gitter schwang – ihn behinderte die Pistole, die er in der Hand hielt –, dann sprang er auf die Straße, und in diesem Augenblick prasselten die Schüsse von allen Seiten. Keiner der Polizisten außer dem, der tot am Gitter lag, war verwundet, was mir erstaunlich erschien. Alle stürzten zu der Stelle, wo Pierrot umgefallen war. Später begriff ich, warum keiner von ihnen hatte leiden müssen: Gleich die erste Kugel hatte Pierrots Hand getroffen, die die Pistole hielt, und ihm die Finger zerschmettert. Er lag buchstäblich in einer Blutlache, ich hätte nie gedacht, dass der Mensch so viel Blut hat. Aber er röchelte noch. Die Polizisten umringten ihn. Ich trat näher. Etwas gluckerte, ob in der Kehle oder der Lunge von Pierrot. Dann hörte das Gluckern auf. Pierrots Augen begegneten meinem Blick, und zu hören war, wie er röchelte:
    »Danke. Es war zu spät.«
    Ich weiß nicht, wie er noch die Kraft aufbrachte, das zu sagen. Ich stand unbeweglich und spürte, wie mir vor ohnmächtiger Erregung, rasender Wut und unerträglicher innerer Kälte die
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