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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf
Autoren: G Gasdanow
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erinnerten, mit überraschend menschlicher Intonation:
    »Möchtest du, dass dir das gleiche zustößt wie Albert?«
    Eine Antwort erfolgte nicht. Ich schrieb weiter, ohne den Kopf zu heben. Das Café leerte sich.
    »Sie haben Angst bekommen«, sagte dieselbe Stimme. »Und wer ist das?«
    Das bezog sich auf mich.
    »Weiß ich nicht«, antwortete der Wirt, »ich sehe ihn zum erstenmal.«
    Ich hörte Schritte, die sich meinem Tischchen näherten, hob die Augen und erblickte einen mittelgroßen Mann, sehr kräftig gebaut, das Gesicht glattrasiert und finster; er trug einen hellgrauen Anzug und ein blaues Hemd mit grellgelber Krawatte. Mich verwunderte der klägliche Ausdruck seiner Augen, der sich offenbar damit erklären ließ, dass er betrunken war. Er begegnete meinem Blick und fragte ohne Umschweife:
    »Was machst du hier?«
    »Ich schreibe.«
    »So? Und was schreibst du?«
    »Einen Artikel.«
    »Einen Artikel?«
    »Ja.«
    Das schien ihn zu wundern.
    »Du bist also nicht von der Polizei?«
    »Nein, ich bin Journalist.«
    »Kennst du mich?«
    »Nein.«
    »Sie nennen mich den krausköpfigen Pierrot.«
    Da fiel mir ein, dass vor einigen Tagen in zwei Zeitungen Meldungen zu lesen waren über den Tod des Boxers Albert, der vierzehnmal vor Gericht gestanden und mehrfach in verschiedenen Gefängnissen gesessen hatte. Die Meldungen trugen die Überschriften »Drama unter Verbrechern« und »Abrechnung«; auch eine Frau wurde erwähnt, deretwegen das Ganze angeblich passiert sei. »Die Polizei zweifelt kaum noch, dass hinter diesem Verbrechen Pierre Dieudonné steckt, mit Spitznamen ›der krausköpfige Pierrot‹, nach dem jetzt verstärkt gefahndet wird. Letzten Informationen zufolge konnte er Paris noch verlassen und hält sich höchstwahrscheinlich an der Riviera auf.«
    Und ebendieser Pierrot stand nun vor mir, in einem Café am Boulevard Saint-Denis.
    »Du bist also nicht an der Riviera?«
    »Nein.«
    Dann setzte er sich mir gegenüber und dachte nach. Ein wenig später fragte er:
    »Über was schreibst du eigentlich so?«
    »Über das, was kommt, die unterschiedlichsten Dinge.«
    »Und Romane schreibst du nicht?«
    »Bisher nicht, aber vielleicht werde ich das einmal tun. Weshalb interessiert es dich?«
    Wir unterhielten uns, als ob wir einander seit langem freundschaftlich verbunden wären. Er fragte, wie ich hieße und für welche Zeitungen ich arbeitete. Dann sagte er, bei Gelegenheit könne er mir viel Interessantes erzählen, forderte mich auf, mal wieder in dieses Café zu kommen, und wir verabschiedeten uns.
    Danach traf ich ihn noch viele Male, und er erzählte mir tatsächlich interessante Dinge. Mitunter geschah es, dass ich dank seiner Offenheit über Informationen verfügte, über die nicht einmal die Polizei verfügte, denn in einem bestimmten Bereich war er außerordentlich gut informiert. Zweifellos war er ein ungewöhnlicher Mensch, hatte von Natur einen klaren Verstand, und damit hob er sich scharf von seinen »Kollegen« ab, die sich meist durch ebenso unbezweifelbare Dummheit auszeichneten. Wie die meisten seiner Zunftgenossen wettete er tollkühn bei Pferderennen und las jeden Tag die Zeitung »La Veine«, außerdem las er manchmal auch Bücher, insbesondere die Romane von Dekobra, die ihm sehr gefielen.
    »Das ist vielleicht geschrieben!«, sagte er zu mir. »Na? Was sagst du dazu?«
    Immer hatte ich den Eindruck, es werde schlecht mit ihm enden, nicht nur, weil er ohnehin ein äußerst gefährliches Handwerk ausübte, sondern auch aus einem anderen Grund: Es zog ihn andauernd zu Dingen, die ihm eigentlich nicht zustanden, und er begriff durchaus den Unterschied zwischen den Interessen, für die er lebte, und denjenigen, für die andere lebten, Menschen, die unendlich weit von ihm entfernt waren.
    Einmal kam er in einem roten Bugatti angefahren; er trug einen neuen hellbraunen Anzug, dazu seine gelbe Lieblingskrawatte, und an seinen Fingern glänzten die immer gleichen Ringe.
    »Wie findest du das?«, fragte er mich. »In der Aufmachung kann ich doch zu einem Botschaftsempfang fahren wie die Typen, von denen sie in der Zeitung schreiben? Na? ›Gesehen haben wir noch…‹«
    Ich schüttelte verneinend den Kopf; das wunderte ihn.
    »Du findest, ich wäre schlecht gekleidet?«
    »Ja.«
    »Ich? Schlecht? Weißt du, wie viel ich für den Anzug bezahlt habe?«
    »Nein, aber das ist unerheblich.«
    Ich hätte niemals gedacht, dass mein negatives Urteil über seine Art, sich zu kleiden, ihn derart
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