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Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Titel: Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
Autoren: Dori Mellina
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Capitolo uno – L’agenzia (Die
Agentur)

 
    „Nonna!“,
schrie ich ins Telefon.
    „Schrei doch
nicht, macht man das so in Deutschland?“, schrie meine Oma jenseits der Alpen
zurück.
    Nee, dachte
ich, so macht man es in Italien. Komisch, jedes Mal, wenn ich zum Telefon
greife und die magischen vier Vorwahl-Ziffern 0039   für Italien eintippe, stellt sich meine
Stimme automatisch um einige Dezibel lauter. Es ist fast so, als würde mich das
Telefon binnen einer Sekunde von München an den Gardasee beamen.
    „Nonna, ich
habe jetzt eine eigene Agentur!“, prahlte ich in den Hörer.
    „Deine
Mutter hat vorhin angerufen“, antwortete meine Oma, wie immer meinen   Gesprächsbeitrag ignorierend.
    „Aus
Venedig. Sie sagt, es geht ihr gut, sie ist glücklich und genießt das Leben“,
sagte meine Oma und sprach dabei die Worte geringschätzig aus.
    „Als wenn es
im Leben darum ginge!“, fügte sie zynisch hinzu.
    „ Nonna, es
geht aber darum!“, warf ich vorsichtig ein.
    „Pah!“, war nonnas Kommentar.“Glaubst Du, ich war mit Deinem Nonno etwa glücklich?“
    „Äh, nein, nonna , das glaube ich nicht“, gab ich zu. Keiner von uns
glaubt das, schließlich hat sie uns häufig genug erklärt, dass das nicht der
Fall war. Meine Oma hat uns Enkeltöchtern all die Jahre gepredigt, uns bloß
nicht von der äußeren Erscheinung eines Mannes blenden zu lassen. Das war
nämlichdamals ihr Fehler gewesen. Als sie
meinen Opa kennengelernt hatte, war sie angeblich auf der Stelle von seinen
schwarzen pomadierten Haaren (was auch immer das
heißt) und l‘ occhio furbetto [2] hin
und weg gewesen. Seinetwegen hatte sie (immer noch nach ihren eigenen, nie von
Dritten bestätigten, Erzählungen) einen älteren, hochdotierten Landadeligen mit
besten Verbindungen zum Königshaus in die Wüste geschickt. Genau das bereut sie
heute, sechzig Jahre später, immer noch bitter. Aus Loyalität zuunserem Opa und auch ein bisschen aus egoistischen Gründen,
versuchen wir stets, sie zu überzeugen, dass sie doch die bessere Wahl
getroffen hat. Schließlich hat sie jetzt so wunderbare Enkelkinder. Und die
Verbindungen zum Königshaus hätten ihr sowieso nichts gebracht: war der König
doch mitten im Krieg geflüchtet und hatte die Italiener ihrem Schicksal
überlassen. Das Argument mit dem König muss meine Oma am Ende immer gelten
lassen. Das mit den Enkelkindern überhört sie hingegen geflissentlich, da sie
mit unserer Lebensführung alles andere als zufrieden ist. Aber später mehr
dazu.
    „Äh, nonna , ich muss jetzt Schluss machen, ich muss arbeiten
gehen. Ciao, bacioni [3] “,
sagte ich und legte schnell auf, bevor wir womöglich wieder auf die Geschichte
mit dem König oder zu Enttäuschungsbekundungen kamen.
    Mein Buhlen
nach Anerkennung hatte sowieso keine Früchte getragen und im Moment stand mir
nicht der Sinn nach Oma-Beschwichtigungsmaßnahmen und kalten Duschen fürs Ego.
Ich hatte heute Großes vor: Ich musste zu meinem ersten Kunden und brauchte
dafür so viel Selbstbewusstsein, wie ich nur zusammenkratzen konnte.
    Vor ein paar
Wochen, einer spontanen Geschäftsidee folgend, hatte ich „Frag mich nach
Sonnenschein“ gegründet, die erste Agentur Deutschlands für italienische
Klischees. Als Italienerin, die seit vielen Jahren in Deutschland lebt, kenne
ich mich nämlich mit solchen Klischees unschlagbar gut aus.
    Die Idee zu
der Agentur war mir – wie es bei so vielen guten Ideen der Fall ist
– unter dem Einfluss von Alkohol gekommen.
    Es ist
allgemein bekannt, dass die meisten genialen Ideen oder Entdeckungen der
Weltgeschichte in einem Augenblick der Ablenkung, des Frohsinns oder durch
reinen Zufall entstanden sind. Man denke zum Beispiel an Penicillin, die
Mikrowelle, Röntgen-Strahlen oder Kartoffelchips.
    Zwar war ich
nicht gerade auf der Suche nach einem neuen lebensrettenden Antibiotikum, aber
einen Ausweg aus meiner beruflichen Misere zu finden, war eine ähnlich große
Herausforderung.
    Den
Geistesblitz hatte ich, während ich verzweifelt versuchte, mit Alkohol
Filzstift-Spuren von meinem Esstisch zu entfernen.
    In Italien
hat man für Alkohol, den man in rosaroten 1-Liter-Kanistern im Supermarkt zu
einem Spottpreis ersteht, eine breite Verwendung: Man putzt damit Fenster,
desinfiziert aufgeschürfte Knie, oder entfernt Klebereste von Etiketten.
    All
denjenigen von Ihnen, die das Thema Alkohol eher mit Wein, Prosecco oder
hochprozentigen Cocktails in Verbindung gebracht haben, sei gesagt: Alkohol
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