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Phantom der Lüste

Phantom der Lüste

Titel: Phantom der Lüste
Autoren: Hanna Nowak
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protestierenden Sebastien den Mund und eilten aus dem Zimmer zur Treppe zurück. Sie mussten sich jetzt noch mehr ranhalten, denn eswar nur eine Frage der Zeit, bis man Sebastien und die fehlende Wache vor Jeans Zimmertür vermissen würde. Bis dahin mussten sie über alle Berge sein. Jean übernahm die Führung und führte Francoise zu den Kellergewölben, wo sich neben einigen Lagerräumen auch der Kerker befand.
    „Was wollt ihr hier?“, fragte der Wachmann mit einer donnergleichen Stimme und baute sich vor Jean und Francoise auf.
    „Wachablösung“, sagte er eilig, woraufhin sich der breitschultrige Hüne irritiert am Hinterkopf kratzte.
    „Davon weiß ich nichts.“
    „Hat der Hauptmann entschieden.“
    „Na schön, wenn der Hauptmann das sagt.“
    Er reichte Jean einen riesigen Schlüsselbund, an dem die Schlüssel zu den einzelnen Zellen hingen. Es lief einfacher als gedacht. Der Hüne setzte seine gewaltigen Körpermassen in Bewegung und war schon verschwunden, ehe die beiden Gefangenen ihre Retter überhaupt erkannt hatten.
    „Katrine!“, rief Francoise und eilte zu der Zelle, steckte beide Arme durch die Gitterstäbe und fasste die halbnackte Frau bei den Händen.
    „Herrin, Ihr seid es!“
    „Wir holen euch jetzt hier raus!“, sagte Jean entschlossen. Er öffnete erst Enjolras Gittertür, befreite ihn vom Eisenkragen und reichte dann den Schlüssel an Francoise weiter. Enjolras zog sich geschwächt an den Stäben hoch und Jean eilte ihm entgegen, um ihn zu stützen. Himmel! Wie sah sein Geliebter nur aus. Sein Körper war übersät mit frischen Wunden. Was hatten diese Mistkerle ihm nur angetan? Jean nahm Enjolras in die Arme und eine Träne rann über seine Wange. Vor Glück, dass sie wieder vereint waren, aber auch vor Schmerz, weil sein Geliebter so grausam gequält worden war.
    „Ich liebe dich, Jean“, flüsterte Enjolras in sein Ohr.
    „Wir müssen uns beeilen“, mahnte Francoise, und sie hatte recht.
    Jean stützte Enjolras und führte ihn zu den steinernen Stufen, die nach oben, in die Freiheit, führten. Doch just in dem Moment, in dem sie den Fuß der Treppe erreichten, öffnetesich die schwere Holztür mit einem Knarren. Erschrocken wichen sie zurück und Jean blickte in Sebastiens wütendes Gesicht. Hinter seinem einstigen Freund tauchten Vater und Mutter sowie Francoises Eltern auf. Auch der Hauptmann und die Wache, die sie gerade ausgetrickst hatten, bauten sich vor ihnen auf.
    Sie rückten zusammen, hielten instinktiv ihre Hände.
    „Ich verlange eine Erklärung für diese Scharade!“, sagte der Vicomte de Felou. In seinem Gesicht sah Jean grenzenlose Enttäuschung.
    „Was geht hier vor?“, wollte nun auch sein eigener Vater wissen.
    „Sie wollten die Gefangenen befreien“, schnaubte Sebastien.
    Sie sprachen alle durcheinander, überhäuften sie mit Vorwürfen, und Jean glaubte, sein Kopf würde zerspringen. Ihm schwindelte, die Sicht verschwamm und für einen Augenblick fürchtete er, erneut das Augenlicht zu verlieren. Nur Enjolras, der hinter ihm stand, und Francoise, die ihn stützte, verhinderten, dass er tatsächlich umkippte.
    „Erkläre mir, was in dir vorgeht, Jean! Ich erkenne dich nicht wieder“, übertönte die Stimme seines Vaters alle anderen und er hörte die unendliche Enttäuschung aus ihr heraus.
    Nie hatte er die Anforderungen seines Vaters erfüllen können, immer hatte dieser ihm zu verstehen gegeben, dass er sich eigentlich einen anderen Sohn gewünscht hätte. Einen wie Sebastien. Aber so war Jean eben nicht. Er war kein Krieger. Und wollte es auch gar nicht sein.
    „Erklär es mir, Jean!“
    „Aufhören! Hört auf!“, brüllte Jean und tatsächlich wurde es plötzlich still.
    Alle schwiegen. Starrten ihn an. Mit Blicken, die nach Erklärungen verlangten.
    Jean atmete tief durch. Er hatte dieses Versteckspiel satt. Er hatte es satt, sich für alles rechtfertigen zu müssen. Ganz besonders für seine Gefühle. „Du willst mich verstehen?“, fragte er mit fester Stimme und fixierte seinen Vater. Der nickte. „Ich werde es dir erklären.“
    „Ich höre.“
    „Ohne die anderen.“
    Der gab ihnen ein Zeichen. Die Wachen verschwanden anstandslos, auch Sebastien fügte sich. Aber der Vicomte und dessen Frau, sowie Maman schienen ebenso auf seine Erklärung zu brennen.
    „Ich bitte Euch“, sagte der Comte. „Bitte.“ Erst da verließen auch diese den Kerker.
    „Soll ich auch gehen?“, fragte Francoise leise.
    Jean ließ ihre Hand los,
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