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Phantom der Lüste

Phantom der Lüste

Titel: Phantom der Lüste
Autoren: Hanna Nowak
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aber schüttelte den Kopf. Er wusste, dass er in ihr eine echte Freundin hatte und ihr Beistand bedeutete ihm viel.
    „So, nun will ich es wissen, Junge. Alles. Warum du weggelaufen bist, warum du dich in den Kerker schleichst, um die Gefangenen zu befreien. Was soll das alles?“
    Der Blick seines Vaters war streng, unversöhnlich, und plötzlich verlor Jean sämtlichen Mut. Papa würde nichts verstehen. Seine Welt war Schwarz und Weiß. Dabei wollte Jean von ihm akzeptiert werden, weil er ihn liebte. Doch in diesem Augenblick verstand er, dass er sich würde entscheiden müssen. Zwischen seiner Familie und Enjolras.
    „Ich werde fortgehen von hier, Vater. Mit diesem Mann.“
    Vater blickte irritiert zwischen Enjolras und ihm hin und her. Noch ahnte er nicht, was sie miteinander verband, doch in seinen Augen konnte Jean sehen, dass es ihm allmählich dämmerte.
    „Du willst mit einem Mörder gehen?“
    „Er ist kein Mörder!“, beharrte Jean. Niemals. Enjolras war nicht dieser Lamont. „Er hat mir das Leben gerettet. Ohne ihn, wäre ich jetzt nicht hier.“
    Zu seinem Erstaunen blieb Vater ruhig. „Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun“, sagte er sachlich. „Er hat die Jugendfreundin seiner Majestät, die Tochter seines Ziehvaters, bei dem er aufwuchs, auf dem Gewissen und er ist vor der ihm drohenden Strafe geflohen. Deswegen wurde Sebastien beauftragt, ihn zu finden.“
    „So oft ihr diese Geschichte auch wiederholt, sie wird dadurch nicht wahrer. Ich glaube dir kein Wort.“
    „Mir vielleicht nicht. Aber ihm schon.“ Sein Vater blickte über Jeans Schulter hinweg zu Enjolras, der plötzlich einen Schritt zurück wich und Jeans Hand los ließ.
    „Das stimmt doch nicht, Enjolras. Du hast niemanden getötet.“
    Aber Enjolras senkte den Blick, ließ sich vor Erschöpfung auf die Knie sinken und starrte zu Boden. Jean schlug das Herz bis zum Hals. Er kannte diesen Mann, er wusste, dass er zu keiner Gewalttat fähig war.
    „Er hat recht, Jean.“
    „Nein! Das glaube ich nicht.“
    Seine Augen wurden feucht. „Ich arbeitete einst im Dienst des Königs. Er hatte von meinen Fähigkeiten gehört und Maria Héroard machte eine schwierige Schwangerschaft durch. Sie litt unter vielen Komplikationen und die Ärzte am Hof in Paris wussten keinen Rat. Sie prophezeiten, dass sie die Geburt nicht überleben würde. Deswegen suchte der König nach fähigen Ärzten, um das Leben Marias zu retten. Seine Mannen durchstreiften das ganze Land und so gelangten sie in die Bretagne, wo ich einen guten Ruf hatte und die Menschen erzählten ihnen, wie ich viele von ihnen geheilt hatte. Sie waren beeindruckt und suchten mich auf, baten mich, mit ihnen zu kommen. Den Schilderungen nach zu urteilen, stand es wahrlich schlecht um Maria und ich glaubte nicht, dass ich gut genug wäre, ihr zu helfen. Doch die Männer des Königs machten mir klar, dass ich die letzte Hoffnung für die Frau war. Sie luden mich nach Paris ein, um mit dem König selbst zu sprechen. Oh, der war damals noch ein halbes Kind, er hatte gerade erst den Thron bestiegen. Ich zögerte, besprach das Ansinnen mit meinem Bruder, der mir dazu riet, diese Reise anzutreten. Wohl glaubte er, dass der König mich in seine Dienste stellen würde, wenn ich gute Arbeit leistete. Sie sandten eine edle Kutsche, in der ich anreiste. Ich war den Luxus nicht gewöhnt, fühlte mich fehl am Platz. Alles war fremdartig, riesig und pompös. Dann empfing mich der König und er sprach viel und immer kam noch ein wenig durch, dass er noch gar kein Mann, sondern nur ein junger Bursche war, der großeAngst um Maria hatte. Er war überzeugt, wenn sie jemand retten könne, so wäre ich dieser Mann.“
    Enjolras unterbrach sich und Jean merkte, wie die anderen ihm an den Lippen hingen. Niemals zuvor war diese Geschichte an die Öffentlichkeit gekommen.
    „Sie verstarb trotz all meiner Bemühungen. Ich konnte sie nicht retten. Und auch nicht ihr Kind. Ich tat alles, was in meiner Macht stand, doch ich versagte und der König glaubte in seinem Schmerz den Worten seines Leibarztes, der seit meiner Ankunft in die zweite Reihe verbannt worden war. Dieser behauptete, es wäre bei der Geburt nicht mit rechten Dingen zugegangen. Aufgrund seiner Trauer und jugendlichen Naivität war der König empfänglich für diese Geschichte und der Leibarzt erreichte sein Ziel, er wurde mich, den unliebsamen Konkurrenten, auf den anfänglich so viele gebaut hatten, los. Sie warfen mich in den Kerker,
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